Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Prozesse der Entfeindung und Versöhnung in Gang setzen"

Friedenspilger aus Europa im Nahen Osten

Pressemitteilung, 16.4.2002

Vom 8.-13. April besuchte eine ökumenische Delegation von Friedenspilgern aus fünf europäischen Staaten israelische und palästinensische Friedensorganisationen. Mitglieder des Internationalen Versöhnungsbundes, von Pax Christi International und des friedenskirchlichen Netzes "Church and Peace" drückten mit diesem Besuch ihre Solidarität mit denjenigen Kräften aus, die für die Einhaltung von Menschenrechten und die Überwindung von Gewalt mit friedlichen Mitteln eintreten.

Gesprächspartner der Gruppe waren u.a. der lateinische Patriarch der katholischen Kirche und Präsident von Pax Christi International, Michel Sabbah, der Sprecher der Rabbiner für Menschenrechte, Jeremy Milgrom, Vertreterinnen und Vertreter der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden in Jerusalem, des Begegnungszentrums "open house" in Ramle bei Tel Aviv, des Komitees gegen die Zerstörung von Häusern, der Frauenkoalition für einen gerechten Frieden, "check-point watch", "Peace now", der beiden Zentren für Konfliktlösung und Versöhnung in Bethlehem und des arabischen Erziehungsinstituts, ebenfalls in Bethlehem.

Die derzeitige Situation ist von Verzeiflung, Angst und dem Kampf um das tägliche Überleben in den besetzten Gebieten gekennzeichnet. Ohne Perspektive für eine hoffnungsvollere Zukunft ist die derzeitige Situation nicht zu überwinden.

In ihren Gesprächen erfuhren die Gäste aus Europa bei israelischen und palästinensischen Friedensgruppen viele Übereinstimmungen. Als grundlegende Ursache der derzeitigen Situation wurde immer wieder die Besetzung der palästinensischen Gebiete und deren Folgen genannt, ohne deren Beendigung auch Israel keine Sicherheit erlangen könne.

Die Gewalt gegen die palästinensische Bevölkerung wurde ebenso verurteilt wie die Gewalt an Israelis durch Selbstmordattentate. Friedensgruppen bezeichneten den Gazastreifen als "großes Gefängnis", inzwischen seien auch die Menschen im Westjordanland Gefangene. Die Spirale der Gewalt müsse unterbrochen werden. Unmittelbar nach einem Waffenstillstand müsste ein politischer Friedensplan umgesetzt werden. Für die palästinensische Seite, deren Würde verletzt würde, ginge es "um Sein oder Nichtsein".

Nach einem Waffenstillstand müsse sich die israelische Armee aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen zurückziehen. Die grundlegende Perspektive für beide Seiten liege in einer Zweistaatenlösung in jeweils sicheren Grenzen mit Jerusalem als Hauptstadt sowohl des Staates Israel als auch des neuen Staates Palästina. Dazu sei internationale Hilfe von außen in Form einer UN-Mission unumgänglich. "Wir brauchen eine win-win-Lösung", sagte ein Mitglied der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden in Jerusalem, bei der keiner das Gesicht verliert.

Um dies zu erreichen fordern viele Friedensgruppen ein Waffenembargo, Wirtschaftssanktionen und einen Stopp des Ausbaus jüdischer Siedlungen in den besetzten Gebieten. Probleme der wirtschaftliche und soziale Ungleichheit zwischen der israelischen und palästinensischen Gesellschaft müssen schrittweise abgebaut werden, um zu einer dauerhaften Lösung zu kommen.

Yehezkel Landau vom jüdisch-christlich-muslimischen Begegnungszentrum "open house" in Ramle vertrat die Ansicht, nach all dem, was in den letzten Wochen geschehen sei, reichten noch so vernünftige Friedenspläne nicht aus. Schmerz, Verzweiflung und Misstrauen seien so stark, dass Menschen mit Fähigkeiten in einfühlsamem Zuhören, gewalfreier Kommunikation und Konfliktvermittlung gefragt seien, um psychische Barrieren zu überwinden und Prozesse der Entfeindung und Versöhnung in Gang zu setzen. "Wir brauchen eine Entgiftung der Sprache", sagte Landau.

Die Friedensorganisationen vor Ort betonten immer wieder, wie wichtig Solidaritätsbesuche gerade jetzt seien und drückten ihre Dankbarkeit über die Anwesenheit internationaler Friedensgruppen im Land aus.

Der ökumenischen Friedensgruppe gehörten Dr. Hildegard Goss-Mayr (Wien/Österreich), Eherenpräsidentin des Internationalen Versöhnungsbundes, Paul Lansu (Brüssel/Belgien), Mitarbeiter im Internationalen Sekretariat von Pax Christi, Minke de Vries (Neuchatel/Schweiz), langjährige Leiterin der ökumenischen Gemeinschaft Grandchamp, Dr. Christian Renoux (Paris/Frankreich), Mitglied des Vorstandes des französischen Zweiges des Versöhnungsbundes und Clemens Ronnefeldt (Krastel/Deutschland), Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des internationalen Versöhnungsbundes, an.

Die Gruppe wurde unterstützt von mehreren hundert Personen, die in verschiedenen Teilen der Welt durch Gottesdienste, Mahnwachen und Fastenaktionen die Delegation der Friedenspilger unterstützt haben.


Zur Presse-Seite

Zur Seite "Kirche und Friedensbewegung"

Zur Nahost-Seite

Zurück zur Homepage