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"Nur eine Gnadenfrist für die Wehrpflicht..."

... sagt die DFG-VK zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BDKJ-Diözesanvorstand fordert Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht - "Darmstädter Signal" fordert Abschaffung

Im Folgenden dokumentieren wir drei Presseerklärungen vom 10. April 2002, die sich mit der gegenwärtigen Wehrpflichtdebatte befassen.

DEUTSCHE FRIEDENSGESELLSCHAFT - VEREINIGTE KRIEGSDIENSTGEGNERINNEN (DFG-VK)

-PRESSEINFORMATION Nr. 7/02-

Nur eine Gnadenfrist für die Wehrpflicht

Das Bundesverfassungsgericht hat heute die Zweifel des Landgerichts Potsdam an der Verfassungsmäßigkeit der Wehrpflicht zurückgewiesen. Die Wehrpflicht steht jedoch weiter auf der Kippe.

Wolfgang Menzel, Bundessprecher der DFG-VK, kommentiert: “Die verantwortlichen Politiker dürfen sich nun nicht länger davor drücken, das Problem Wehrpflicht anzupacken - und das kann nur heißen: den Zwangsdienst abzuschaffen.” Dafür sieht Menzel gute Chancen, da die Karlsruher Entscheidung nur auf formalen Gründen beruht. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit sei damit nicht beantwortet worden. “Mit der heutigen Entscheidung ist die Wehrpflicht nicht gerettet worden - sie hat nur eine Gnadenfrist erhalten”, so Menzel.

Das Landgericht Potsdam hatte in seiner Vorlage darauf abgestellt, die massiven Grundrechtsbeschränkungen für Wehrpflichtige seien angesichts einer fehlenden militärischen Bedrohung nicht verhältnismäßig. Andere Faktoren wurden - noch - nicht behandelt: etwa die fehlende Wehrgerechtigkeit. Die Frage, wer zum Bund muss und wer nicht, ähnelt heute einem Lotteriespiel. Dass Frauen dienen können, Männer jedoch müssen, verdeutlicht den undemokratischen Charakter der Wehrpflicht. Die Frage nach dem Sinn des erzwungenen Dienstes kann die Politik schon lange nicht mehr beantworten. Als Begründung für die Wehrpflicht wird fast nur noch genannt, dass die Bundeswehr ohne sie unter Nachwuchsmangel leiden würde.

“Die Verwendung der Wehrpflicht als Rekrutierungsmittel für freiwillige und Berufssoldaten entspricht jedoch weder der Verfassung, noch ist diese Methode politisch zu rechtfertigen. Um die Interventionsgelüste der Bundeswehr ‘out of area’ zu erfüllen, werden ganze Jahrgänge junger Männer durch die Instanzen militärischen Drills gezogen. Das verletzt die Menschenwürde”, erklärt Wolfgang Menzel. Der DFG-VK-Bundessprecher weist darauf hin, dass die Wehrpflicht keinen Verfassungsrang hat, im Gegensatz zu den Grundrechten der freien Berufswahl, der Freizügigkeit, der freien Meinungsäußerung und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit. Es sei nicht einzusehen, warum die Bundesrepublik der Entwicklung in den anderen Nato-Staaten, in denen auf die Wehrpflicht verzichtet wird, hinterherhinkt.

Mit der heutigen Karlsruher Entscheidung ist der Sterbensprozess der Wehrpflicht nur verlängert worden. Die Diskussion um den anachronistischen Zwangsdienst beginnt nun erst. Aus Sicht der DFG-VK kann es nur eine Antwort geben: Wehrpflicht abschaffen!

Berlin, den 10.04.2002
Frank Brendle
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit


BDKJ-Diözesanvorstand fordert umgehende Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht

Das Bundesverfassungsgericht stellt in seiner Entscheidung fest, dass die allgemeine Wehrpflicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Karlsruher Richter machen in ihrem Beschluss keinerlei Vorgaben für den künftigen Umgang mit der Wehrpflicht. "Die sicherheitspolitische Lage der Bundesrepublik muss der Bundestag beurteilen und nicht das Bundesverfassungsgericht," meint Ralf Sauer (BDKJ-Diözesanvorsitzender). "Angesichts der immer größer werdenden Wehrungerechtigkeit und Veränderung der sicherheitspolitischen Lage der Bundesrepublik wäre die umgehende Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht die einzig vernünftige Konsequenz."

Deutschland ist mit dem Ende der Ost-West-Konfrontation nicht mehr unmittelbar und existenzgefährdend in seiner Sicherheit bedroht. Der Fall der bündnisbezogenen Landesverteidigung, der lange die Begründung für größere Streitkräfte darstellte, kann als unwahrscheinlich gelten. Einsätze außerhalb der bündnisbezogenen Landesverteidigung, welche zunehmend das Aufgabenspektrum der Bundeswehr bestimmen, sind mit der allgemeinen Wehrpflicht unvereinbar. Der Zugewinn an Sicherheit vor unmittelbarer militärischer Bedrohung macht Strukturanpassungen für die Streitkräfte erforderlich. "Das gilt vor allem deshalb, weil mit der allgemeinen Wehrpflicht ein zeitlich begrenzter Eingriff in die verfassungsmäßig garantierten Freiheits- und Grundrechte junger Männer verbunden ist. Sie darf demnach nur so lange als gesetzlich begründete Pflicht abverlangt werden, wie sie sich sicherheitspolitisch begründen lässt", erklärt Sauer.

Durch die im vergangenen Jahr vorgenommene Strukturanpassung der Bundeswehr wurde der Umfang der Streitkräfte deutlich verkleinert. Betroffen war in erster Linie der Bedarf an wehrpflichtigen Soldaten. Es werden zwischenzeitlich weniger Wehrpflichtige benötigt, als die wehrdienstfähigen Männer eines Geburtsjahrganges ausmachen. Weil zwischenzeitlich mehr junge Männer den Dienst an der Waffe aus Gewissensgründen verweigern als junge Männer Grundwehrdienst leisten, lässt sich die allgemeine Wehrpflicht auch unter diesem Aspekt nicht mehr aufrechterhalten. Momentan sichert die Wehrpflicht in den Augen des BDKJ-Diözesanvorstandes weniger den Bestand und das qualifizierte Personal der Bundeswehr als die Beibehaltung des Zivildienstes.

Friedens- und Sicherheitspolitik sollten stets darauf ausgerichtet sein, Leben zu erhalten und Gewalt zu vermeiden. Die allgemeine Wehrpflicht gewährleistet dagegen, dass möglichst viele männliche Staatsbürger, notfalls gegen ihren Willen, einen Dienst ableisten, in dem sie ausgebildet werden, im Ernstfall zu töten. "Für mich ist es nicht vertretbar, den männlichen Teil unserer Bevölkerung noch länger unter Strafandrohung militärischer Logik von Gewalt und Gegengewalt zu unterwerfen.", so Sauer weiter. "Die Ausbildung zum Töten darf nicht länger staatlich sanktionierter Normalfall bleiben. Wir fordern die umgehende Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht!"

Der BDKJ in der Diözese Würzburg vertritt als Dachverband die Interessen von 13 katholischen Jugendverbänden, in denen unterfrankenweit 30.000 Kinder und Jugendliche organisiert sind.
Weitere Informationen finden sie unter http://www.bdkj.bistum-wuerzburg.de



Wehrpflicht? Politisch falsch und militärisch unnötig!

Kritische Offiziere fordern die Abschaffung der Wehrpflicht!


Die im Arbeitskreis DARMSTÄDTER SIGNAL (Ak DS) seit 1983 zusammengeschlossenen kritischen ehemaligen und aktiven Offiziere und Unteroffiziere der Bundeswehr fordern seit Jahren, die Wehrpflicht abzuschaffen. "Mehr Verantwortung für das geeinte Deutschland heißt für uns, mehr politisches und finanzielles Engagement bei vorbeugender, nichtmilitärischer Konfliktbewältigung als Voraussetzung für deutliche Zurückhaltung bei den untauglichen Versuchen, politische Probleme militärisch lösen zu wollen. Das ist sowohl die Lehre aus der düsteren deutschen Militärgeschichte wie aus den jüngsten Konflikten", so Oberstleutnant a.D. Helmuth Prieß, Sprecher des Ak DS.

Deutschland, von Freunden umzingelt, kann seine Streitkräfte erheblich verringern. Eine Armee mit weniger als 200.000 Freiwilligen kostet weniger als eine 280.000-Mann/Frau-Bundeswehr. Die jetzt schon vorhandene Wehrungerechtigkeit würde entfallen!
Wer den Befürwortern einer Freiwilligenarmee ideologisches Denken vorwirft, wie Minister Scharping es tut, der ist ideologisch. Streitkräfte in der Demokratie können selbstverständlich auch Freiwilligenstreitkräfte sein.


Als erfahrene Soldaten und Vorgesetzte bezweifeln wir, daß die Wehrpflicht besonders zur Integration der Streitkräfte in unsere Gesellschaft beiträgt - der Einfluß der Wehrpflichtigen auf das Innenleben der Bundeswehr ist "nahe NULL"! Offen bleibt hingegen, wie groß der Einfluß der Befehlsstruktur und des Droh- und Drucksystems im Militär auf die erhofften demokratischen Tugenden junger Menschen ist. Streitkräfte erziehen nicht zu demokratischem Handeln, sondern zum Funktionieren und Gehorchen!!

Streitkräfteauftrag, -Umfang und Wehrstruktur sind davon abhängig, ob Deutschland in Zukunft besondere Anstrengungen bei vorbeugenden, zivilen Konfliktlösungen aufbringen will, oder sich wie die USA und Großbritannien besonders anstrengt, weltweit militärisch "mitzumischen". Dies muß endlich öffentlich diskutiert werden!


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