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Aufstehen für den Frieden

Friedensbewegung beschließt bundesweite Aktionen - Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag

Kassel, den 23. September 2001

Am Wochenende fand in Kassel ein Treffen der Friedensbewegung statt, zu dem der Bundesausschuss Friedensratschlag kurzfristig eingeladen hatte. Gekommen waren rund 150 Teilnehmer/innen aus über 50 Städten und Organisationen aus dem ganzen Bundesgebiet. Im Mittelpunkt der Beratungen standen die weltpolitischen Folgen der Anschläge von New York und Washington.

In einem einleitenden Referat beschrieb Prof. Dr. Werner Ruf (Universität Kassel) die gegenwärtige weltpolitische Situation als äußerst bedrohlich. Die Terroranschläge vom 11. September hätten eine völlig neue Dimension des internationalen Terrorismus aufgezeigt. Klar geworden sei aber auch, dass es keinen vollständigen Schutz vor solchen menschenverachtenden Wahnsinnstaten gebe. Da helfen auch keine Milliardeninvestitionen in den Ausbau des Militärs und der Geheimdienste. Ruf warnte auch eindringlich davor, die Welt in eine "gute" und "böse", in eine "zivilisierte" und eine "barbarische" Welt aufzuteilen, wozu die US-amerikanische Regierungspropaganda neigt. Insbesondere der Islam sei - entgegen einer weit verbreiteten Meinung - eine Weltreligion, die sich durch Toleranz und Solidarität auszeichne und deshalb auch in keiner Weise für den Terrorismus verantwortlich gemacht werden könne. Zu befürchten sei aber, dass große Teile der islamischen Welt bei US-Kriegshandlungen gegen Afghanistan und/oder andere Länder des Nahen/Mittleren Ostens in Kriege und Bürgerkriege hinein gezogen werden.

Dr. Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, machte darauf aufmerksam, dass nach der "Wucht des Terrors" nun eine "Wucht des Krieges" bevorstünde, woraus sich eine unheilvolle Spirale der Gewalt und Verwüstung entwickeln könne, worunter vor allem die Zivilbevölkerung leiden würde. Wenn es der Menschheit nicht gelingt, die drohenden Rachefeldzüge der USA zu verhindern oder zu stoppen, drohe das 21. Jahrhundert zu einer "Epoche des permanenten Kriegszustandes" zu werden. Vehement wandte sich Strutynski gegen die von US-Präsident Bush errichtete neue Doktrin, wonach man entweder auf Seiten der USA sei oder an der Seite der Terroristen. In dieses "einfältige Schwarz-Weiß-Schema" lasse sich die Friedensbewegung nicht zwängen. Sie halte auch weiterhin an ihrer Position fest, dass Terror nicht mit Krieg beantwortet werden dürfe. "Bestrafung: ja, Rache und Vergeltung: nein!"

In den Diskussionen, die in drei Arbeitsgruppen geführt wurden, wurde deutlich, dass die Friedensbewegung nach den Terroranschlägen des 11. September mit vielfältigen und unzähligen Aktionen in der ganzen Bundesrepublik nicht nur ihre Trauer um die Opfer zum Ausdruck gebracht, sondern sich auch deutlich gegen vorschnelle, vor allem militärische Antworten ausgesprochen hat. Bei den vielen Gesprächen und Begegnungen der letzten Tage habe sich gezigt, dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht kriegsbereit ist. Die vom Bundeskanzler versprochene "uneingeschränkte Solidarität" mit den USA dürfe sich auf keinen Fall auf militärische Optionen beziehen. Besonnenheit und ein langer Atem zur Bekämpfung der Ursachen des Terrorismus seien angesagt, nicht blindwütiges Draufschlagen.

Nach 5-stündigen Beratungen zeigte sich die Friedensbewegung einig in der Orientierung auf die nächsten Aktionsschritte. Beschlossen wurde die Durchführung einer bundesweiten Kundgebung und Demonstration in Berlin am 13. Oktober; für Baden-Württemberg soll am selben Tag eine regionale Aktion (wahrscheinlich in Stuttgart) stattfinden. Die drei Wochen bis dahin werden von der Friedensbewegung als "Aktionswochen" vor Ort genutzt. Für notwendig erachtet wird die intensive Diskussion mit und in großen gesellschaftlichen Gruppen wie den Kirchen, Gewerkschaften, ausländischen Vereinen und nicht christlichen Religionsgemeinschaften. Darüber hinaus wurden bereits Kontakte zu Gruppen der Dritte-Welt-Bewegung und der Globalisierungskritiker hergestellt.

Am kommenden Freitag, den 28. September wird sich ein Trägerkreis zur Vorbereitung der bundesweiten Kundgebung in Berlin bilden (16 Uhr, Humboldt-Universität, Unter den Linden).

Verabschiedet wurde ebenso einmütig am Ende der Konferenz ein Aufruf der Friedensbewegung, der auch die Grundlage für den Aufruf zur Berliner Großkundgebung am 13. Oktober bilden soll. Die Überschrift lautet "Aufstehen für den Frieden". Darin wir dem "Feldzug" der USA und einer Beteiligung der Bundeswehr daran eine klare Absage erteilt. Konflikte, so heißt es, könnten nur "ohne Krieg gelöst" werden. Schließlich müsse eine "neue Spaltung der Welt" verhindert werden.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Dr. Peter Strutynski (Sprecher)

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