Bankrotterklärung der Kriegsbefürworter
Von Johannes M. Becker
Es vergeht kein Tag, an dem im Irak nicht Anschläge gegen die US-amerikanische oder die britische Besatzungsmacht verübt werden. Die US-Regierung Bush ruiniert derzeit die nordamerikanische Wirtschaft durch einen ungeheueren Rüstungsetat und hat die EU-Staaten, die kriegsunwilligen eingeschlossen, aufgefordert, sich an den Kosten im Irak zu beteiligen.
Der Krieg gegen den Irak hat das Land nicht befriedet, das Gegenteil ist der Fall. Die Bomben des hochgelobten "Blitzkrieges" haben die irakische Infrastruktur, die sich gerade von den Zerstörungen des zweiten Golfkrieges von 1991 zu erholen begonnen hatte, aufs Neue in Schutt und Asche gelegt. Ungeheueres Leid ist über das Land gekommen. Die Freude über die Vertreibung Saddam Husseins und seines Regimes wurde rasch getrübt durch das Erleben, dass versprochene Hilfsleistungen zum Wiederaufbau auf sich warten ließen und lassen. Einzig die Ölquellen wurden rasch rekonstruiert: Sie werden heute von der US-Besatzungsmacht kontrolliert.
Der Irak ist mitnichten ein Einzelbeispiel. Auch die Menschen in Afghanistan warten weiter auf die angekündigte Hilfe. Die Zerstörungen des angeblichen "Anti-Terror"-Krieges sind zum Großteil nicht beseitigt. Die Unsicherheit im Lande ist kein Deut gemindert. Warlords beherrschen das Land, die Marionettenregierung Karzai kann sich gerade im engsten Stadtkern von Kabul sicher fühlen. Karzai hat unlängst eine Schutztruppe von 700.000 Soldaten für sein Land angefordert...
Gehen wir noch weiter in der jüngsten Geschichte zurück und betrachten das dritte Land, das unter den Folgen eines völkerrechtswidrigen Krieges zu leiden hat, dann sieht die Lage in Ex-Jugoslawien nicht besser aus. Da musste unlängst die Rekonstruktion einer historischen Brücke medienwirksam herhalten, um von den angeblichen Wohltaten der internationalen Völkergemeinschaft zu zeugen. Die Realität sieht auch hier freilich anders aus: Nicht nur, dass kein politische Problem gelöst wurde durch die Bomben des Jahres 1999, nur ein Bruchteil der seinerzeit auf 100 Mrd. US-$ geschätzten Kriegsschäden wurde bislang beseitigt. Kaum ein Tag vergeht ohne Anschläge auf die serbische Bevölkerung, melden die Nachrichtenagenturen.
Was dem Irak, Afghanistan und Jugoslawien gemein sind? Die Chance zur Erkenntnis, dass Krieg kein Problem löst. Dass man die ungeheueren Summen lieber aufwenden sollte zur Aufstockung der (verglichen mit den Kriegsschäden und den in allen drei Ländern aufzuwendenden Besatzungskosten geradezu mickrig anmutenden) 50 Mrd. $ erdweiten jährlichen Entwicklungshilfe. Dass man politische Probleme nur politisch, d.h. durch Verhandlungen und durch die Verminderung des gigantischen Abstandes zwischen Arm und Reich lösen kann. Darüber, d.h. über nicht-militärische und präventive Konfliktlösungsstrategien, sollte eine hellrot-grüne Regierung in Berlin raisonnieren. Und nicht über eine Aufstockung der Bundeswehr-Präsenz in Afghanistan.
* PD Dr. Johannes M. Becker lehrt Politikwissenschaft am Zentrum für Konfliktforschung (ZfK) der Philipps-Universität.
Der Kommentar erschien auch in der Oberhessischen Presse, Marburg (12.09.03)