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"Wir wenden uns gegen jede Form von Krieg, Wirtschaftskrieg und Gewaltherrschaft"

Walter Listl beim Ostermarsch in Landshut

Als vor ziemlich genau 70 Jahren am 8. Mai der zweite Weltkrieg endete und Deutschland und ganz Europa vom Faschismus befreit wurde, hätte sich wohl kaum jemand vorstellen können, dass eine Frage jemals wieder akut wird:
"Wieder Krieg in Europa?
Nicht in unserem Namen!"

Unter dieser Überschrift warnten im Dezember vergangenen Jahres mehr als 60 Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien in einem Aufruf eindringlich vor einem Krieg mit Russland und fordern eine neue Entspannungspolitik für Europa. Ihren Appell richten sie an die Bundesregierung, die Bundestagsabgeordneten und die Medien.

In dem Appell heißt es:
Niemand will Krieg. Aber Nordamerika, die Europäische Union und Russland treiben unausweichlich auf ihn zu, wenn sie der unheilvollen Spirale aus Drohung und Gegendrohung nicht endlich Einhalt gebieten. ...
Wir brauchen eine neue Entspannungspolitik für Europa. Das geht nur auf der Grundlage gleicher Sicherheit für alle und mit gleichberechtigten, gegenseitig geachteten Partnern.

Die Namensliste der Unterzeichner*innen lässt aufhorchen:
  • Roman Herzog, ehem. Bundespräsident
  • Gerhard Schröder, ehemaliger Bundeskanzler
  • Prof. Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann (ehemalige EKD Ratsvorsitzende und Bischöfin)
  • Dr. h.c. Otto Schily (ehem. Bundesminister des Inneren)
  • Dr. h.c. Friedrich Schorlemmer (ev. Theologe, Bürgerrechtler)
  • Georg Schramm (Kabarettist)
  • Prof. Dr. h.c. Horst Teltschik (ehemaliger Berater im Bundeskanzleramt für Sicherheit und Außenpolitik und ehem. Chef der sog. Sicherheitskonferenz)
  • Dr. Hans-Jochen Vogel (Bundesminister der Justiz a.D.)
  • Wim Wenders (Regisseur)
Dieser Appell entstand unter dem Eindruck, dass gerade ein neuer kalter Krieg vom Zaun gebrochen und in der Ukraine ein heißer Krieg angeheizt wird. Die Friedensbewegung stellt sich auf keine Seite der Kriegsparteien in der Ukraine. Wir sind auf der Seite der Opfer dieses verdammten Krieges.
Wir sagen: Dieser Konflikt kann und darf nicht militärisch gelöst werden.

Für eine Panzerschmiede wie KMW mag dieser Krieg „ein Lichtblick“ sein. Für die Menschen ist er eine Katastrophe.

Aber wir vergessen darüber nicht, welche Ursachen dieser Krieg hat: Die NATO rückt an Russlands Grenzen vor, schnelle Eingreiftruppen und ein Raketenschirm in Osteuropa werden gegen Russland in Stellung gebracht, NATO Manöver finden in der Ukraine statt und die dortige von Faschisten durchsetzte Regierung und Armee ist Bündnispartner der NATO. Im Januar haben die NATO-Kriegsminster beschlossen. weitere 6 Militärstützpunkte an den Westgrenzen Russlands aufzubauen und eine sog. militärische Speerspitze unter deutscher Führung in Stellung zu bringen.

Sollen wieder mal deutsche Truppen an der Ostfront kämpfen?

In den vergangenen Wochen haben wir die täglich Meldungen gehört, wie US-Militärfahrzeugkolonnen von den baltischen Ländern bis nach Ungarn an der russischen Grenze entlang fuhren.

Kann man sich vorstellen was los wäre, wenn eine Kolonne russischer Kampffahrzeuge in Mexiko an der Grenze zu den USA patrolieren würde? Kann man sich vorstellen was los wäre, wenn Russland in Venezuela Militärmanöver abhielte, in Cuba eine schnelle Eingreiftruppe und rund um die USA 6 russische Militärstützpunkte errichten würde?

Jetzt werden neue Waffensysteme an die Ukrainische Regierung geliefert. Das Handelsblatt schrieb dazu: „Das ist von allen Schlussfolgerungen die hirnloseste.“

Aber dieser Hirnlosigkeit hat sich die NATO verschrieben. Die Ukraine wird aufgerüstet damit der Krieg dort weitergeht und Russland in einem schwelenden Konflikt verstrickt bleibt.

Der Chefredakteur des Handelsblattes, nicht gerade eine Zeitung aus dem Putinverstehermillieu schreibt am 10.3.2014:
“Putin ist nicht der Imperialist, den die USA aus ihm machen. Seit dem Fall der Sowjetunion hat jeder zweite Bewohner den ehemaligen Einflussbereich des Kremls verlassen, 14 Staaten haben sich gebildet und sich dem Westen angeschlossen. Putin strebt nicht nach Expansion, sondern nach Verlangsamung der Erosion. Sein Eingreifen auf der Krim ist kein Angriff, sondern Notwehr...“

Mit den Ostermärschen wenden wir uns entschieden gegen diesen Konfrontationskurs, gegen jede weitere Aufrüstung und die damit verbundene Eskalation des Krieges in der Ukraine. Denn dieser Krieg hat das Potential einer europaweiten Katastrophe.

In der Ukraine liegt nicht nur Tschernobyl sondern dort steht auch das größte AKW Europas. Hat sich schon mal jemand überlegt was passiert, wenn eine der vielen Raketen – egal von welcher Seite – mal keinen Bus oder Wohnhaus trifft, sondern eines der 15 Atomkraftwerke in der Ukraine?

Am 28. Mai 2014 berichtete die Tagesschau, dass die NATO Führung die Ukraine beraten hat, wie mit Atomanlagen im Kriegsfall umzugehen sei. D.h. es wird ein nukleares Inferno einkalkuliert, das ein Sterben eines Großteils Europas bedeuten würde.

Deshalb stehen wir hier und sagen an alle Beteiligten:
Hört endlich auf mit dem Wahnsinn dieses Krieges!

Die erste Verantwortung die wir vor der Geschichte haben ist zu verstehen, dass es Frieden nur mit und niemals gegen Russland geben kann. Es gibt nur gemeinsame Sicherheit in Europa.

Als Friedensbewegte fordern wir:
  • Stopp sämtlicher Rüstungsexporte
  • Stopp sämtlicher NATO-Manöver an den Grenzen Russlands
  • Stopp sämtlicher russischer Manöver an den Grenzen der Ukraine
  • Beendigung der Aufstellung einer NATO-Schnelleingreiftruppe mit dem Namen "Speerspitze", an der sich Deutschland mit 2700 Soldaten beteiligt
  • Stopp des Aufbaus des so genannten "Raketenabwehrschirms" in Europa, der von Russland nur als Bedrohung betrachtet werden kann.
Kriege haben heute viele Gesichter und Facetten.

Die Irrsinnskriege gegen Jugoslawien, Afghanistan, Libyen oder Irak, mit vielen Hunderttausenden toten Zivilisten haben diese Länder ruiniert und den Terrorismus herangezüchtet.

Jürgen Todenhöfer schrieb dazu im Februar:
“Bombardierungen sind unbeschreiblich dumm. Es ist, als würde man zur Bekämpfung einer Wespenplage mit Knüppeln auf Wespennester einprügeln.“

Krieg ist, wenn deutsche Waffenexporte kriegerische Konflikte rund um den Erdball befeuern.

Krieg ist, wenn ein international vernetzte Foltersystem der NATO Menschlichkeit und Menschenwürde vernichtet

Aber auch Handelskriege sind Kriege, wenn Handelabkommen wie TTIP oder Sanktionen wie gegen Russland oder den Iran die Wirtschaft der betroffenen Länder ruiniert und die Menschen in Armut und Not treibt,

Und eine Art Krieg ist auch, wenn den Menschen in Griechenland durch die EU-Auflagen die Luft zum Atmen genommen wird. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis vergleicht den Umgang der Kreditgeber mit Griechenland mit der Folterpraxis des Waterboarding und sagt:
„Griechenland wird sprichwörtlich unter Wasser gedrückt. Kurz vor dem Herzstillstand wird uns gestattet, ein paar Atemzüge zu nehmen. Dann drückt man uns wieder unter Wasser. Und alles geht von vorne los“ (4).

Wir fordern den Stopp aller Rüstungsexporte nach Griechenland.

Man muss sich einmal vorstellen:
Griechenland hat mehr Panzer als Deutschland, Großbritannien und Frankreich zusammen. Die meisten davon aus der Waffenschmiede Krauss Maffei in München, deren Manager mit Korruptionshintergrund sich daran ebenso bereichert haben wie kriminelle griechische Politiker.

Konkreter Abrüstungsvorschlag:
Frau von der Leyen bejammert ja den maroden Zustand der Bundeswehrbewaffnung: Das Sturmgewehr schießt bei Hitze daneben (endlich mal ein konkreter Schritt zur Abrüstung!), Hubschrauber fliegen nicht und für Panzer fehlen Ersatzteile.

Wie wäre es, wenn Deutschland von den Griechen die Leopardpanzer zurückkaufen würde, die ohnehin nur mit kriminellen Machenschaften dorthin verkauft wurden.

Man könnte dann für die Zerstörung dieser Panzer in Deutschland eine Abwrackprämie bezahlen – wie damals bei den Gebrauchtwagen und das Rohmaterial an das rohstoffhungrige China verkaufen.
Das wäre eine echte win-win-win Situation.

Jetzt lesen wir, dass für die Bundeswehr Kampfdrohnen angeschafft werden sollen unter dem Vorwand des „Fürsorgepflicht“ für die Soldaten der Bundeswehr. Diese guten Kampfdrohnen, die deutsche Soldaten schützen sollen – so heißt es – sollen abgegrenzt werden vom bösen, völkerrechtswidrigen Drohnenkrieg der USA. Dabei wird unterschlagen, dass eben dieser Drohnenkrieg der USA über den Stützpunkt Ramstein unter deutscher Beteiligung geführt wird.

Drohnenkrieg ist nichts anderes als Lynchjustiz und hat Tausenden Unschuldigen das Leben gekostet. Elsa Rassbach, Vertreterin der United National War Coalition in Deutschland sagte in einem Interview: Bei jedem der bisherigen Drohnenangriffe kamen durchschnittlich 28 Unschuldige ums Leben, darunter viele Kinder.

Wir sagen:
Kampfdrohnen sind Killerwaffen, sie dienen nicht der Verteidigung, sondern sind Angriffswaffen von einer Art, die die Hemmschwelle einer Kriegsbeteiligung senkt.
Wir lehnen diese Anschaffung von Drohnen ab und fordern eine internationale Konvention zur ausschließlich zivilen Nutzung der Drohnentechnologie.

Liebe Freunde,

Wir wenden uns gegen jede Form von Krieg, Wirtschaftskrieg und Gewaltherrschaft.

Wir wenden uns auch gegen ein System das diese Kriege hervorbringt. Es war der französische Sozialist Jean Joures der sagte:
Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.

Wie wahr.

Der Unterschied ist aber, dass Menschen zwar nicht den Regen verhindern können, dass wir aber den Krieg abschaffen müssen, sonst wird der Krieg die Menschen abschaffen.

Deshalb ist auch für die Friedensbewegung die Frage wichtig:
Wie können wir gemeinsam das kapitalistische Wirtschaftssystem überwinden? Ein System, das mit seinem unbegrenzten Wirtschaftswachstums, offensichtlich den Planeten ruiniert und zwangsläufig zu Ungerechtigkeit, Gewalt und Krieg führt? Einem System von der Papst Franziskus richtig sagt: Diese Wirtschaft tötet!

Kriege sind ein Verbrechen, egal unter welchem Vorwand sie geführt, egal mit welcher Lüge sie begründet und egal mit welchen Waffen sie geführt werden.

Und - Kriege sind Terror und bringen immer neuen Terror hervor. Arundhati Roy, die indische Schriftstellerin, hat recht wenn sie sagt: Der Terrorismus ist aus der Rippe einer Welt gemacht, die vom Imperialismus verwüstet wurde.

Auf der Siko 2014 sagte Bundespräsidet Gauck:
Deutschland müsse seine weltpolitische Verantwortung „früher, entschiedener und substanzieller“ wahrnehmen. Deutschlands Kriegsbeteiligung kommt jetzt im Tarnanzug der Verantwortung daher.

Welch absurde Logik:
Die NATO-Kriege verwüsten Länder und ganze Regionen – machen das Mittelmeer zu einem Massengrab für Menschen die vor diesen Verwüstungen fliehen und es sind diese Verwüstungen, die internationalen Terror hervorbringen gegen den nun wiederum Krieg zu führen sei

Welch absurde Logik!
Nein - mit Krieg ist Terror nicht zu bekämpfen, denn Krieg ist Terror!

Aber was tun gegen den internationalen Terror wie dem IS?

Wer das Terrorkalifat IS bekämpfen will, der sollte zu aller erst Druck auf den NATO-Komplizen Türkei und einige der verbündeten arabischen Staaten ausüben, ihre offensichtliche Unterstützung dieser Terrorbande zu beenden.

Enthauptungen, Auspeitschen oder Händeabhacken das sind nicht exclusive Methoden des IS. Das gehört zur üblichen Praxis des Regimes in Saudiarabien, des engsten Verbündeten der USA und des sog. Westens.

Wer dorthin Panzer und Kleinwaffen liefert, wie die Bundesregierung , der soll uns nicht mit dem Krieg gegen Terror kommen. Da geht es um Geschäfte und geostrategische Ziele, um den Kampf um Ressourcen und globale Vorherrschaft.

Liebe Freunde,

Vor wenigen Tagen jährte sich zum siebzigsten mal die Befreiung des KZ´s Auschwitz. Anfang April 1945 hatten die Häftlinge des KZs Buchenwald sich selbst befreit. Die überlebenden Häftlinge leisteten den berühmten Schwur von Buchenwald: Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!

Dieser Auftrag, dieses Erbe ist bis heute nicht eingelöst.

Heute prägen Nationalismus, Ausländerhass, Islamophobie und Rassismus weite Teile der politischen Landschaft nicht nur hier, auch in Europa.

Uns hat die Mordserie des sog. NSU erschüttert.

Was uns dabei besonders besorgt ist nicht nur diese Mordserie, sondern die Erkenntnis, dass es sich beim NSU um ein Gezücht des Verfassungsschutzes handelt.

Weitgehend unkontrollierte Geheimdienste schaffen sich selbst die Kreaturen, die ihre Existenz rechtfertigen sollen.

Das ist, wie wenn die Feuerwehr Brände legt um anschließend mehr Geld und Personal zu fordern.

Aber man sage nicht, aus der Mordserie des NSU seien keine Konsequenzen gezogen worden.

Während es z.Z. ein geheimnisvolles Zeugensterben beim NSU-Prozess gibt, wird eine Regelung vorbereitet, dass Staatsanwaltschaften davon absehen könnten, Verbrechen zu verfolgen, die von V-Leuten begangen werden.

Hätte es diese Regelung schon 2011 gegeben - wer weiß – vielleicht müsste sich Frau Zschäpe heute gar nicht vor Gericht verantworten.

Es wird immer klarer: Dieser Verfassungsschutz gehört nicht reformiert, sondern aufgelöst, denn er ist Teil eines Terrornetzwerkes.

Auch deshalb gehen wir heute auf die Straße.

So wie wir in den vergangenen Tagen und Wochen zusammen mit Zehntausenden auf Kundgebungen, Demonstrationen oder Lichterketten gegen Pegida Flagge gezeigt haben, so demonstrieren wir auch heute:
  • Für eine Welt ohne Faschismus und Krieg
  • Für Frieden statt NATO
  • Für ein Leben ohne Angst und Terror
  • Für ein Leben ohne Rassismus und Ausländerfeindlichkeit
  • Gegen Nationalismus - für internationale Solidarität
Walter Listl, Nünchen, auf der Abschlusskundgebung des Ostermarsches am 4.April 2015 in Landshut.


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