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"Wir agieren außenpolitisch zu defensiv und angepaßt"

Leipziger Linke machen gegen Faschismus und Krieg mobil: Friedenskundgebung am Freitag. Ein Gespräch mit Volker Külow *


Volker Külow ist Landtagsabgeordneter der sächsischen Linkspartei und Vorsitzender des Leipziger Stadtverbandes der Partei.


Während Die Linke bundesweit für den 31. Mai zu einem friedenspolitischen Aktionstag aufruft, geht Ihre Partei in Leipzig schon einen Tag zuvor auf die Straße. Aus welchem Grund?

Das Leipziger Friedenszentrum und der DGB Leipzig haben dankenswerterweise schon lange vor dem besagten Parteibeschluß unter dem politisch klaren Motto »Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!« für Freitag zu einer Kundgebung für den Frieden aufgerufen. Neben dem Bund der Antifaschisten und dem Erich-Zeigner-Verein mobilisiert auch die Leipziger Linke zu dieser Aktion, die durch die Mitwirkung des Liedermachers Konstantin Wecker einen besonderen Stellenwert hat.

Die Losung für die Kundgebung klingt deutlicher als manches, was man sonst aus der Linkspartei hört. Warum?

Die Beteiligung von Faschisten an der Kiewer Regierung und das aggressive Bestreben der NATO, ihren Einflußbereich weiter nach Osten auszudehnen, lassen eigentlich keine andere Botschaft mehr zu. Spätestens nach dem mörderischen Brandanschlag auf das Gewerkschaftshaus in Odessa am 2. Mai dürften auch die letzten Zweifel darüber zerstreut sein, was sich in der Ukraine in aller Brutalität abspielt.

Wie bewerten Sie die deutsche Außenpolitik in diesem Konflikt?

Ich teile die Einschätzung, daß zwei Kräftegruppierungen um die Vorherrschaft ringen. Merkel will nach anfänglicher Frontstellung gegen Moskau jetzt eher »die enge Partnerschaft« fortsetzen. Hintergrund sind Befürchtungen führender deutscher Wirtschaftskreise, Sanktionen könnten ihre Expansionschancen mindern. Transatlantisch festgelegte Kreise hingegen laufen gegen eine weitere Kooperation mit Moskau Sturm. Sie plädieren für eine globale Frontstellung der NATO-Staaten und ihrer Verbündeten gegen Rußland und auch China.

Mit der Wahl von Poroschenko zum ukrainischen Präsidenten und der deutschen Marionette Vitali Klitschko zum Oberbürgermeister Kiews nähert sich die Restauration der ukrainischen Oligarchen unter deutsch-amerikanischer Hegemonie ihrem Abschluß. In der prowestlich gewendeten Ukraine wird diese gefestigte Oligarchen-Dominanz zusätzlich mit einem Element faschistischer Herrschaft angereichert. Und da hat ja bekanntlich die von einem SPD-Mann geführte deutsche Außenpolitik keine Berührungsängste.

Wie sollte sich die Linkspartei in dieser Konstellation weiter verhalten?

Ich interpretiere das Europawahlergebnis so, daß wir außenpolitisch zu defensiv und angepaßt agieren. Es lohnt sich, daran zu erinnern, daß vor fast genau 150 Jahren Karl Marx in der Inauguraladresse der 1. Internationale eine eigenständige proletarische Außenpolitik begründete. Diese Forderung ist und bleibt hochaktuell und angesichts der Parallelen zwischen der Entwicklung vor 1914 und heute liegt mir besonders das antimilitaristische Erbe von Karl Liebknecht am Herzen. Das Motto aus seinem Flugblatt des Jahres 1915 »Der Hauptfeind steht im eigenen Land« ist weiterhin gültig. Darum stellen wir ab Ende Juli auch anläßlich des 100. Jahrestages des Beginns des Ersten Weltkrieges Liebknechts Originalschreibmaschine, die in unserem Haus ausgestellt ist, auf einer eigenen Webseite ins Netz.

Wie soll man sich diese Präsenta­tion vorstellen?

Das wird in der Tat spektakulär. Zum einen wird es möglich sein, eine um eine Achse drehbare 360-Grad-Ansicht der Schreibmaschine am Bildschirm zu bewegen. Zum anderen wird in einer zweiten Ansicht ein Abbild der Originaltastatur als virtuelle Tastatur eingeblendet, mit der eigene Texte in der Manier klassischer Schreibmaschinen erstellt werden können. Dies richtet sich vor allem an Nutzer von Tablet-Computern.

Und wie wird das finanziert?

Die dafür notwendigen Kosten in Höhe von ca. 2500 Euro werden über ein Einzelsponsoring der insgesamt 75 Schreibmaschinetasten zu je 35 Euro gewonnen. Die Sponsorinnen und Sponsoren werden auf der Webseite namentlich aufgeführt. Einige Tasten sind noch zu haben, man muß sich jetzt also ranhalten.

Interview: Markus Bernhardt

* Aus: junge Welt, Mittwoch 28. Mai 2014


"Da haben wir vielleicht zu lange gewartet"

Aufruf zu bundesweiten Aktionen gegen drohenden Ukraine-Krieg am kommenden Samstag. Ein Gespräch mit Monty Schädel **

Monty Schädel ist ist Politischer Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK).

Am kommenden Samstag sollen bundesweit Demonstrationen, Kundgebungen und Veranstaltungen gegen den Krieg in der Ukraine stattfinden. Was ist geplant?

Gemeinsam mit einigen anderen Orgnisationen rufen wir zu dezentralen Aktivitäten auf, um auf die drohende Kriegsgefahr in der Ukraine aufmerksam zu machen. Wir wollen dagegen protestieren und den Menschen so die Möglichkeit geben, ihre Meinung öffentlich zu äußern.

Die Planung steht zwar noch nicht fest, es wird aber vieles vorbereitet. Es gibt diverse regionale Aufrufe; im Ruhrgebiet etwa oder in Berlin. In Süddeutschland diskutieren die Beteiligten noch über Inhalte. Aber eines steht fest: Der 31. Mai ist der Termin, an dem wir alle auf die Straße gehen werden, um zu zeigen: Es ist fünf Minuten vor zwölf, und wir sind gegen den Krieg! Nun ist es an den regionalen Gruppen zu schauen, mit wem sie an Ort und Stelle zusammenarbeiten.

Inwieweit sind die Aktionen zentral beeinflußt?

Es gibt einen Aufruf des Bundesausschusses Friedensratschlag – das ist ein Bündnis aus Gruppen, die sowohl regional als auch bundesweit arbeiten. Darüber hinaus haben sich lokale und regionale Zusammenschlüsse gebildet. Das sind zum Teil traditionelle Friedensbündnisse, zum Teil haben sie sich angesichts des drohenden Krieges in der Ukraine neu gegründet. Uns allen geht es in erster Linie darum, die Positionen der Bundesrepublik Deutschland, der EU und der USA aufzuzeigen – sie sind maßgeblich für die Eskalation verantwortlich. Wir werden aber auch mit Kritik an der Politik Rußlands nicht hinter dem Berg halten. Der Ukraine-Konflikt läßt sich jedenfalls nur unter Mitwirkung beider Seiten lösen.

Worin sehen Sie die Mitverantwortung der BRD und ihrer Regierung?

Wenn der deutsche Außenminister in Kiew Faschisten die Hände schüttelt, nur weil sie zu der Gruppe gehören, die sich dort nun Regierung nennt, ist das ein Tabubruch, den es noch nicht gab. Faschisten werden in der Ukraine hoffähig gemacht, ihr Auftreten wird als belanglos dargestellt. Natürlich sind nicht alle Menschen, die in der Ukraine auf der Straße sind, auch Faschisten. Das sagen wir ganz deutlich. Aber dadurch, daß die dortige Regierung Faschisten mit aufgenommen hat, macht sie faschistisches Gedankengut salonfähig.

Wie ist Ihr Verhältnis zu den sogenannten Montagsmahnwachen für den Frieden, die seit rund sieben Wochen in verschiedenen Städten stattfinden?

Diese Mahnwachen werden, um es vorsichtig auszudrücken, an manchen Orten von merkwürdigen Personen organisiert. Außerdem haben Querfrontler und Faschisten sich mit eingebracht, und denen wird auch Rederecht zugestanden. Diese Demonstrationen nutzen aus, daß viele Menschen in der BRD nach einer Möglichkeit suchen, ihren Protest gegen den drohenden Krieg auszudrücken. Da haben wir als Friedensbewegung vielleicht zu lange gewartet.

Aber die Montagsmahnwachen sind keine Veranstaltungen, bei denen es gegen den Krieg geht. Es sind vielmehr populistische Auftritte von Persönlichkeiten, die andere für ihre Zwecke mißbrauchen wollen. Man muß sich die Mahnwachen in den einzelnen Städten näher ansehen, teilweise sind Faschisten unter den Organisatoren.

Aber es gibt auch Ausnahmen: In einigen Kommunen haben sich Aktive aus der Friedensbewegung mit den Personen verständigt, die sich Woche für Woche zu Mahnwachen treffen. Nun machen sie gemeinsame Veranstaltungen, ohne daß dabei nationalistisches oder rassistisches Gedankengut verbreitet wird. Das ist in Aachen und Stuttgart der Fall und, wie ich gehört habe, auch in Hannover und Leipzig.

Nur wenn es ganz deutliche Bekenntnisse gibt, nichts mit Faschisten gemeinsam zu haben, kann es zu gemeinsamen Aktivitäten kommen. Die Friedensbewegung in der BRD hält daran fest, daß die beiden Satzhälften der Parole: »Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus« untrennbar sind. Das heißt auch, daß es ausgeschlossen sein muß, mit Neonazis auf die Straße zu gehen, egal zu welchem höheren Ziel.

Interview: Claudia Wrobel

** Aus: junge Welt, Mittwoch 28. Mai 2014


Provokateur in Aachen

Karlspreisverleihung: Ukrainischer Ministerpräsident Jazenjuk soll Laudatio halten. Bündnis protestiert dagegen

Von Lenny Reimann ***


Der Stadt Aachen steht am Donnerstag Besuch ins Haus. An diesem Tag wird wie jedes Jahr der »Internationale Karlspreis zu Aachen« verliehen, mit dem »Verdienste zur europäischen Einigung« geehrt werden sollen. Zu diesem Anlaß wird auch der amtierende ukrainische Putschministerpräsident Arseni Jazenjuk einen hochoffiziellen Auftritt haben. Er ist als Laudator für den diesjährigen Preisträger, den Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, angekündigt.

Dies stößt vor allem bei verschiedenen linken Organisationen und Parteien auf deutlichen Protest. So bezeichnete es der Aachener Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (Die Linke) als »politische Provokation«, daß das Karls­preisgremium nach dem Umsturz in der Ukraine ausgerechnet Jazenjuk als Redner eingeladen habe.

»Für den ukrainischen Regierungschef, der der ersten europäischen Regierung mit offen faschistischer Beteiligung vorsteht und dessen demokratische Legitimität zumindest umstritten ist, ist es sicher eine willkommene Gelegenheit, sich zusammen mit der EU-Elite zu präsentieren«, fürchtet Hunko. Jazenjuk stellt in der Ukraine gemeinsam mit der neofaschistischen Swoboda-Partei die Regierung. Tatsächlich dürfte ihm die sich bietende Chance mit der Einladung nach Aachen, die Inszenierung als lupenreiner Demokrat, sehr zupaß kommen. Weiteres Kriegsgetrommel gegen Rußland steht zu befürchten.

Schon am Mittwoch wird Jazenjuk mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammentreffen, die die Ministerpräsidenten der ehemaligen Sowjetrepubliken Ukraine, Georgien und Moldau zu einem gemeinsamen Abendessen im Kanzleramt empfängt.

Unterdessen macht ein breites Bündnis aus Linkspartei, Gewerkschaften und Friedensorganisationen gegen den Auftritt Jazenjuks in Aachen mobil. Schon am Mittwoch findet um 19 Uhr eine Veranstaltung im Aachener DGB-Haus statt. Dort werden unter anderem Sergej Kiritschuk (Koordinator Borotba, Kiew, Ukraine), Mayya Kit (Journalistin, Slowjansk, Ost-Ukraine), Grigore Petrenko (Kommunistische Partei Moldawien, Parlamentarische Versammlung des Europarates und Stellvertretender Vorsitzender der Europäischen Linken/EL), Zachar Popowitsch (Initiative Linke Opposition, Kiew, Ukraine) und Andrej Hunko (MdB/Die Linke) ihre Sicht auf die Situation in der Ukraine erläutern.

Während die Stadt Aachen am Donnerstag alle Bürger ab 10 Uhr auf den Markt und den Katschhof (vor und hinter dem Rathaus) einlädt, um der Übertragung der Preisverleihung beizuwohnen, ruft unter anderem die Linksjugend zu einer Kundgebung (11 Uhr) am nahe gelegenen Elisenbrunnen auf.

Auch das Bündnis »Karlspreisprotest 2014« macht gegen den Besuch des Putschpolitikers mobil und will am Donnerstag auch an die weit über 40 Menschen erinnern, die am 2. Mai zu Tode kamen, als faschistische Schlägerbanden das Gewerkschaftshaus in Odessa anzündeten.

»In der neuen Kiewer Regierung sind die Faschisten der Swoboda-Partei vertreten, die zu diesen Mördern direkte Verbindungen unterhalten«, konstatiert das Bündnis in seinem Aufruf und fordert darin »die sofortige Beendigung jeglicher Unterstützung der Kiewer Regierung« durch die Bundesregierung.

*** Aus: junge Welt, Mittwoch 28. Mai 2014


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