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"Am Persischen und am Amerikanischen Golf leiden die ärmsten Menschen am meisten" / "In both the Persian and American gulfs, the poorest people suffer most"

Erklärung der US-amerikanischen Organisation "United for Peace and Justice" / Statement from United for Peace and Justice

In den USA spielen sich im Gefolge des anhaltenden Irakkrieges und der während der Flutkatastrophe in New Orleans zu Tage getretenen strukturellen Defizite des Regierungshandelns tiefgehende politische Veränderungsprozesse ab. Sie lassen sich im dramatischen Niedergang des Ansehens des erst vor einem Jahr wiedergewählten US-Präsidenten George W. Bush deutlich ablesen. Die Umfragewerte des US-Präsidenten sind auf einem neuen Tiefstand angelangt. Nach einer Umfrage von "Wall Street Journal" und NBC News liegt die Zustimmungsrate nur noch bei 40 Prozent. Fast die Hälfte aller Befragten rechnet damit, dass sich die Lage der US-Wirtschaft im nächsten Jahr verschlechtern wird. Nur 36 Prozent der Befragten sprechen sich dafür aus, die US-Truppen im Irak zu lassen, 55 Prozent sind für einen Abzug. Fast 60 Prozent sind unzufrieden mit der Reaktion des Präsidenten auf den Hurrikan "Katrina". Laut einer Umfrage von "New York Times" und CBS News Poll sind nur noch die Hälfte der US-Bürger mit Bushs Reaktion auf den Terrorismus zufrieden. Mehr als 60 Prozent der Befragten glauben, dass der Präsident andere Prioritäten für das Land setzt als sie selbst. (Vgl. zu diesen Angaben: AFP, 15.09.2005)

Dieser eminente Vertrauensschwund und die sich zuspitzenden innenpolitischen Probleme geben jenen politischen Kräften Auftrieb, die seit Jahr und Tag die Bush-Politik, insbesondere seine aggressive Welt- und Kriegspolitik kritisieren. Die amerikanische Friedensorganisation "United for Peace and Justice" hat nun in einer Erklärung Stellung bezogen zum Versagen der US-Administration beim Katrina-Hurrikan und zum Desaster des US-Kriegsabenteuers im Irak. Die Stellungnahme liest sich wie eine Gegendarstellung zu den Jubelansprachen des Präsidenten über die angeblichen "Fortschritt", die im Irak erzielt würden, oder wie ein Korrektiv, eine alternative Stimme des "anderen" Amerika zur Rede Bushs vor dem UN-Weltgipfel in New York am 14. September 2005.
Wir dokumentieren im Folgenden die Erklärung von "United for Peace and Justice" im englischen Original und in einer deutschen Übersetzung.


Die Golfkriege

Statement von "United for Peace and Justice" (Vereinigt für Frieden und Gerechtigkeit - Organisation der US-amerikanischen Friedensbewegung)
2. September 2005


Die Folgen von 'Katrina' sind tragisch, sie verursachen den Tod sowie einen zerstörerischen Einschnitt in das Leben und den Verlust des persönlichen Besitzes in einem undenkbaren Maßstab. Obwohl 'Katrina' eine Naturkatastrophe war, waren ihre Folgen größtenteils vermeidbar, und sie bilden eine Parallele zu einer anderen Tragödie, die sich täglich in der Nähe eines anderen Golfes abspielt - 7000 Meilen entfernt. Beide Desaster entspringen dem kriminellen Verhalten der Bush- Administration und sind eng miteinander verbunden. Es kann viel darüber gesagt werden, wie Langzeit-Politik zu der Heftigkeit von 'Katrina' beigetragen hat - angefangen bei der Leugnung der Existenz der globalen Erwärmung, bis hin dazu, daß habgierigen Erschließungsunternehmen gestattet wurde, die schützenden küstennahen Inseln und Feuchtgebiete zu zerstören. Aber zur Zeit gibt es unmittelbarere Anliegen.

FEMA (die nationale Katastrophenschutzbehörde, d. Ü.) und Präsident Bush haben es versäumt, rechtzeitig Hilfe für die ärmsten Menschen in New Orleans bereitzustellen. Diese hatten keine Möglichkeit zu entkommen. Sie sind praktisch für Tage in hüfttiefem, verseuchtem Wasser, im Convention Center oder im Superdome sitzengelassen worden - sie mußten den Platz mit den bereits Toten teilen, umgeben von stinkendem Müll und Exkrementen, ohne Trinkwasser, Nahrung oder medizinische Hilfe.

Das erinnert uns an den Irak, wo die Infrastruktur durch Blockade und Krieg zerstört wurde und die Menschen dazu genötigt waren, in glühender Hitze, ohne Elektrizität, medizinische Versorgung und Arbeitsplätze auszuharren. Beide Desaster waren vorausgesagt worden. Zahlreiche Studien sagten vorher, daß ein großer Orkan New Orleans überfluten könnte. Gleichzeitig haben viele vorausgesagt, daß die Invasion des Irak Millionen Unschuldige treffen würde, was wiederum Widerstand und möglicherweise einen Bürgerkrieg zur Folge haben würde. Diese Studien wurden jedoch durch die nationalen Administrationen ignoriert, die unerbittlich auf Vorherrschaft und Profite orientiert sind.

Sowohl am Persischen als auch am Amerikanischen Golf leiden die ärmsten Menschen am meisten. An beiden Orten werden farbige Menschen durch rassistische Politik vernachlässigt und dadurch in die Verrohung getrieben. Diese Häßlichkeit spiegelt sich in den Bildern der Verwahrlosung, die täglich über die Fernsehbildschirme flimmern. Menschen, die verzweifelt ihre unmittelbaren Bedürfnisse befriedigen wollen, werden als Plünderer kriminalisiert. Der Polizei von New Orleans wurde befohlen, die Rettungsmaßnahmen zu stoppen und statt dessen Eigentum zu schützen. Die Nationalgarde erhielt Todesschuß-Befehle.

Der Krieg im Persischen Golf hat direkte Auswirkungen auf die sich ausbreitende Katastrophe in unseren südlichen Bundesstaaten. Das Budget für Flutkontrollen, Verstärkung der Dämme, Evakuierung und Hilfe waren unzureichend und sind kürzlich noch weiter reduziert worden. Allein in New Orleans wurden im Haushalt im vergangenen Jahr 71 Mio. US-$ für Flutkontrollen gestrichen. Zur gleichen Zeit wurden über 200 Mrd. US-$ im Irak verschwendet. Wo sind die Riesenhelikopter geblieben, die gestrandete Menschen retten könnten? Wo sind die klimatisierten Riesenzelte und die Fertigmahlzeiten, die den Flüchtlingen Dach und Nahrung spenden könnten - dieselben Zelte und Mahlzeiten, mit denen Halliburton so teuer den Irak beliefert? Wieso sind 35 bis 40 % der Nationalgarde von Louisiana und Mississippi im Irak, auf Todesmissionen, anstand zuhause, wo sie so dringend benötigt werden?

Die Unterbrechung der Ölproduktion im Mittleren Osten (durch den Irakkrieg) und der Ölraffinerie an der Golfküste (durch 'Katrina') treiben die Ölpreise spiralförmig nach oben. Diese Knappheit wird bereits jetzt von den großen Erdöl-, Pipeline- und Raffinerie-Unternehmen als Vorwand benutzt, um immer größere Profite aus den arbeitenden Menschen in den USA zu pressen. Diese Ausbeutung wird Auswirkungen auf die globale Wirtschaft haben und möglicherweise Inflation gepaart mit Erwerbslosigkeit bringen - eine Wiederaufführung der "Stagflation" (Wortkreation aus Stagnation und Inflation, d. Ü.), mit der wir während des Vietnamkrieges gestraft waren.

Nun, mehr als jemals zuvor, müssen unsere Stimmen gehört werden. Ruft im Weißen Haus an, um unmittelbare und effektive Hilfsbemühungen zu verlangen für New Orleans, die Golfküste und wo auch immer die Flüchtlinge hingebracht werden. Die Telefonnummer des Weißen Hauses ist (001) 202-456-1111. Und macht eine Spende auf einen dieser beiden speziellen Hilfefonds für die Opfer des Wirbelsturms:

Übersetzung: Saskia Mestern

Homepage von "United for Peace and Justice": www.unitedforpeace.org


THE GULF WARS

Statement from United for Peace and Justice
Sept. 2, 2005


The effects of Katrina are tragic, causing death, the disruption of lives, and the loss of property on an unimaginable scale. Although Katrina was a natural catastrophe, its effects were largely avoidable and parallel another tragedy unfolding daily near another Gulf, 7000 miles away. Both disasters flow from the criminal behavior of the Bush administration and are closely related. Much can be said about how long-term policies -- from denying the existence of global warming to permitting greedy developers to destroy protective offshore islands and wetlands -- may have contributed to the severity of Katrina. But now there are more immediate concerns.

FEMA and President Bush have failed to provide timely aid for the poorest people of New Orleans. They had no way to escape. They have been virtually abandoned for days in waist-deep polluted water, the onvention Center, or the Superdome, sharing space with the already dead, urrounded by stinking garbage and human waste, without potable water, food, or medical care.

This reminds us of Iraq, where the infrastructure has been destroyed by blockade and war causing people to endure sweltering heat, without electricity, medical care and jobs. Both disasters were predicted. Numerous studies anticipated that a major hurricane could flood New Orleans, while many predicted that the invasion of Iraq would punish millions of innocents, bringing resistance and possibly civil war. However, these studies were ignored by federal administrations, hell-bent on domination and profit.

In both the Persian and American gulfs, the poorest people suffer most. In both places, people of color are neglected and brutalized by racist policies. This ugliness is reflected in graphic images of neglect that come bursting daily from the TV screens. People desperate for necessities are now criminalized as looters. The New Orleans police were ordered to stop rescue efforts and instead protect property, and the National Guard has been given "shoot to kill" orders.

The war in the Persian Gulf impacts directly on the unfolding catastrophe in our Southern states. Budgets for flood control, strengthening the levees, evacuation, and relief have been inadequate and have actually been reduced. Last year $71 million was cut from the budget for flood control in New Orleans alone. Meanwhile more than $200 billion has been squandered in Iraq. Where are the giant helicopters that could rescue stranded people? Where are the giant air conditioned tents and the ready-to-eat meals that could house and feed refugees -- the same tents and meals that Halliburton provides so expensively in Iraq? Why are 35-40% of the Louisiana and Mississippi National Guards in Iraq, on missions of death, instead of back home where they are so desperately needed?

Disruption of Middle East oil production (by the Iraq War) and refining capabilities on the Gulf coast (by Katrina) are forcing gas prices to spiral upward. These shortages are already being used by the big oil, pipeline and refining companies as pretexts to extort ever greater profits from the working people of the U.S. Because of this exploitation, the economy will be globally affected, potentially bringing inflation together with joblessness, a re-enactment of the "stagflation" that punished us during the Vietnam War.

Now, more than ever, our voices must be heard. Call the White House to demand immediate and effective relief efforts in New Orleans, along the Gulf coast and wherever the refugees are being taken. The White House phone number is 202-456-1111. And make our own contribution through either of these two special hurricane relief funds:
AFL-CIO: www.aflcio.org
NAACP: www.naacp.org.

Source: www.unitedforpeace.org


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