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Zukunftsprobleme zivil lösen - Nein zu Krieg, Atomrüstung und innerer Militarisierung

Rede von Helga Schwitzer (IG Metall) beim Ostermarsch Rhein-Ruhr *

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,


"Was man will, muss man ganz wollen; halb ist es gleich nichts." Johann Hinrich Wichern hat das gesagt, evangelischer Pfarrer und Namensgeber dieses Hauses.

Deshalb gilt unser ganzer Einsatz den Zielen, für die Ihr seit drei Tagen vom Rhein bis hierher nach Dortmund auf der Straße gewesen seid. Mit dem Fahrrad, Motorrad oder sogar zu Fuß. Das gilt für die Ziele, für die wir hier und heute auf dem Friedensfest des Ostermarsches 2012 noch einmal deutlich Flagge zeigen. Das gilt für Frieden und Abrüstung in der ganzen Welt, für die Entmilitarisierung in den Köpfen, in unserer Gesellschaft und in der Politik. Wir sagen Nein zu Krieg, Atomrüstung und innerer Militarisierung. - Wir sagen Ja zur zivilen Lösung der Zukunftsprobleme. Da halte ich es mit Wichern: Das wollen wir, und das wollen wir ganz!

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,
über 50 Jahre sind seit dem ersten Ostermarsch in Deutschland vergangen. "Kampf dem Atomtod" war damals das Motto. In der dritten Generation danach hat dieses Motto nichts, aber auch gar nichts an Berechtigung verloren.

In Deutschland und um Deutschland herum lagern immer noch Atomsprengköpfe. Die Zahl der Atommächte ist gestiegen, und sie steigt weiter. Im südkoreanischen Seoul hat sich vor zwei Wochen eine hochrangig besetzte Konferenz damit befasst, wie verhindert werden kann, dass Terroristen in den Besitz von Atomwaffen kommen.

Ich hätte da einen Vorschlag, liebe Freundinnen und Freunde: Die Atommächte vernichten alle Atomwaffen, und das Problem ist gelöst. Denn was es nicht gibt, kann auch nicht in falsche Hände geraten.

Aber, was sage ich? Sind Atomwaffen irgendwo in richtigen Händen? Ich sage Nein!, liebe Freundinnen und Freunde, Atomwaffen sind überall in falschen Händen. Sie waren in Hiroshima und Nagasaki in falschen Händen. Sie waren bei den Atomwaffenversuchen auf Nowaja-Semlja, in der US-amerikanischen Wüste oder auf dem Mururoa-Atoll in falschen Händen. Atomwaffen sind überall in falschen Händen, auch in Israel. Und sie wären bei dem iranischen Diktator ebenfalls in falschen Händen. Das ist sicher.

Wir dürfen uns die Anmaßung der US-amerikanischen Politik nicht zu eigen machen, die Welt in falsch und richtig, in gut und böse einzuteilen. Nicht in ideologischer, religiöser, wirtschaftlicher und auch nicht in militärischer Hinsicht. Es gibt keine guten Kriege. Es gibt keine guten Waffen. Denn es gibt auch keine guten Toten!

Wer die Welt und die Menschen in gut und böse einteilt oder sonst wie spaltet, der verursacht genau das, was er erst beklagt und womit er dann bewaffnete Einsätze rechtfertigt: Der verursacht und schürt den Hass, der zu Kriegen führt.

Wir blicken deshalb mit großer Sorge auf die Entwicklung im israelisch-iranischen Konflikt. Wir müssen befürchten, dass daraus ein Großkonflikt wird. Mit den USA und Israel auf der einen und dem Iran auf der anderen Seite. Beide rüsten zumindest verbal auf. Die Risiken sind hoch. Auch die Risiken, dass sich Deutschland in einen möglichen Krieg hineinziehen lässt. Die USA sind rund um den Iran mit Militärstützpunkten präsent, zu Wasser und auf dem Land. Und das Ölembargo und der Boykott der iranischen Zentralbank tragen nicht zur Deeskalation bei – im Gegenteil. Die USA nehmen dafür das iranische Atomprogramm und die angebliche, völlig unbewiesene Absicht der Machthaber zum Bau von Atombomben als Rechtfertigung. Und die EU wie auch unsere Bundesregierung hat nichts Besseres zu tun, als bei dieser Eskalation mitzumischen. Das ist verantwortungslos! Und es trifft wie immer die Falschen.

Dass Israel seit Jahr und Tag über Atomwaffen verfügt, wird dabei völlig ausgeblendet. Hier ist es wieder: Das Messen mit zweierlei Maß, das Spalten der Welt in Gut und Böse. Damit muss endlich Schluss sein! Deshalb unterstütze ich die Erklärung der Bonner Kooperation für den Frieden. Sie fordert Friedens- statt Kriegspolitik im Irankonflikt. Sanktionen und Kriegsdrohungen sind sofort zu beenden.

Ich fordere EU und Bundesregierung auf, die Eskalation der Sanktionen gegen den Iran zu stoppen. Ich fordere sie auf, zusammen mit anderen europäischen Regierungen sich dafür einzusetzen, dass die von der UNO beschlossene Konferenz für eine massenvernichtungsfreie Zone im Mittleren und Nahen Osten endlich stattfindet.

Ich schließe mich der Aussage in der Erklärung der Kooperation für den Frieden an: "Nur eine Politik, die alle Staaten der Region, Israel eingeschlossen, zur atomaren Abrüstung und Enthaltsamkeit verpflichtet, kann das gegenseitige Misstrauen beseitigen. Nur eine solche Politik kann den Feindbildern zwischen den Religionen, Völkern und Staaten sowie dem Wettrüsten und den Diktaturen den Boden entziehen."

Ja, liebe Freundinnen und Freunde, wir wollen den Frieden, und wir wollen ihn ganz. „Ein bisschen Frieden“ mag für den ersten Platz im Grand Prix de la Chanson gereicht haben. Für uns ist das zu wenig. Für uns ist es zu wenig, wenn Barack Obama die israelische Regierung bremst, bis er im November die Präsidentschaftswahlen überstanden hat.

Für uns ist es völlig falsch, dass der amerikanische Präsident gewissermaßen im Gegenzug wegsieht, wenn Israel weiterhin Verhandlungen mit den Palästinensern blockiert. Wenn Netanjahu weiter Siedlungen auf palästinensischem Gebiet bauen lässt und gleichzeitig die Erfüllung von Maximalforderungen zur Vorbedingung für die Aufnahme von Gesprächen mit den Palästinensern macht. Das ist Blockade pur. Das darf sich die Weltöffentlichkeit nicht gefallen lassen. Das darf sie dem israelischen Ministerpräsidenten nicht durchgehen lassen. Vor allem dürfen wir ihm nicht durchgehen lassen, dass er das eigene verbale und militärische Aufrüsten und das Getöse drum herum auch noch missbraucht. Dass er es dazu missbraucht, die Weltöffentlichkeit von dem Konflikt mit den Palästinensern abzulenken.

Jedes Land braucht Sicherheit. Jede Bevölkerung braucht Schutz. Auch die israelische. Aber Israel und die Menschen dort brauchen vor allem eine Politik, die auch für Sicherheit und Schutz sorgt statt ständig neues Öl in den Nahost-Konflikt zu gießen.

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
wir blicken mit Sorge auf einen weiteren Konflikt im Nahen Osten. Seit der arabische Frühling auch in Syrien angekommen ist, seit dort Menschen gegen das Assad-Regime aufgestanden sind, gibt es aus diesem Land die unterschiedlichsten Informationen. Es ist schwierig, diese richtig einzuordnen, wahr und falsch voneinander zu trennen. Über diese Schwierigkeit setzen sich aber westliche Politiker und leider auch viele Medien hierzulande einfach hinweg. Statt zu differenzieren, übernehmen sie ungeprüft die Sichtweise derer, die in diesem inneren Konflikt nicht Partei für die Menschen ergreifen, die allein Partei für ihre eigenen machtpolitischen Interessen ergreifen. Die - wie im Fall Libyen - auf Intervention setzen. Aus humanitären Gründen, wie sie behaupten.

Ich frage: Was ist daran humanitär, einen Staat aus einem politischen Bündnis mit dem Iran herauszubrechen? Seit wann ist es humanitär, sich Öl, andere Rohstoffe und militärischen Einfluss zu sichern? Nein, liebe Freundinnen und Freunde, hier wird ein innerstaatlicher Konflikt für die eigenen machtpolitischen und wirtschaftlichen Interessen instrumentalisiert. Hier dienen wie schon in vielen anderen Konflikten auf dieser Welt humanitäre Gründe als Vorwand, die Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Landes und Volkes zu betreiben. Ich übersehe dabei nicht, dass in Syrien unschuldige Menschen sterben. Ich übersehe auch nicht, dass sich hier ein Diktator mit aller Brutalität an der Macht halten will. Ich finde es richtig, dass die UN-Vollversammlung das syrische Regime für das Blutvergießen an der eigenen Bevölkerung verurteilt hat.

Aber ich finde es genauso richtig, dass es im UN-Sicherheitsrat keine Mehrheit für eine "humanitäre Intervention" gibt. Man darf nicht übersehen, dass es in Syrien Rebellen gibt, die mit genau der gleichen Brutalität vorgehen, wie sie Assad und dem Militär vorgeworfen wird. Auch in einem Bürgerkrieg lässt sich Gewalt nicht in gut und böse aufteilen.

In dieser Region hat jede militärische Auseinandersetzung das Zeug, zum Flächenbrand zu werden. Mit Syrien, Iran, Hisbollah oder Hamas-Anhängern auf der einen Seite und Israel sowie USA und in deren Gefolge auch die arabischen Golfstaaten auf der anderen. Statt die zerstrittene syrische Opposition finanziell und militärisch aufzurüsten, sollten die Politiker dieser Welt alles daran setzen, die Gewalt in Syrien friedlich zu beenden.

Das blutige Chaos nach den Interventionen in Afghanistan, Irak und Libyen mahnt, die Hände von Syrien zu lassen. Die Mission des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan in Syrien sollte sein, die in sehr unterschiedliche politische und religiöse Gruppen aufgeteilte Opposition und Vertreter des Regimes an einen Tisch zu bringen. Morgen soll der von ihm ausgehandelte Waffenstillstand in Kraft treten. Es wäre ein Anfang. Allerdings ein sehr zerbrechlicher Anfang, wie aktuelle Berichte aus Syrien zeigen. Assad soll bis zuletzt weitergebombt und gemordet haben. Das Interesse der Rebellen an einem Waffenstillstand soll nach der finanziellen Intervention der Golfstaaten deutlich gesunken sein.

Ich sage: So geht’s nicht. Auf beiden Seiten nicht. Jetzt ist Dialog gefragt. Jede finanzielle, militärische oder auch nur verbale Aufrüstung ist falsch - auf jeder Seite! Nur der Friede ist der Weg zum Frieden. Anders funktioniert es nicht. Das erleben wir doch immer wieder. Jeder Krieg gibt neuen Kriegen Nahrung. Jede Gewalt nährt neue Gewalt. Die USA sollten das eigentlich gelernt haben.

Im Korea- und Vietnamkrieg, im Irak und aktuell in Afghanistan. Die militärische Intervention der Nato, die als Bekämpfung der sogenannten Schurken begonnen hat, wird im Desaster enden. Die am Anfang noch von vielen Afghanen begrüßte militärische Intervention der Nato sorgt mittlerweile nur noch für Chaos und Elend.

Wenn US-Soldaten auf getötete Taliban-Kämpfer urinieren, wenn sie Bücher des Koran verfeuern und wenn ein US-Soldat in einem Amoklauf Frauen und Kinder ermordet, dann wird das sicher nicht von den US-Militärs und auch nicht von Präsident Barack Obama gedeckt. Aber diese Gräueltaten sind keine Zufälle: Sie sind ein Ventil für angestauten Hass und Frust, wie ihn Kriege nun mal entstehen und in ihrer ganzen Brutalität ausbrechen lassen. Diese Gräueltaten sind außerdem ein gewaltsamer Ausdruck genau der Ignoranz, mit der die USA meinen, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Länder und Kulturen einmischen zu können. Und die Frage muss erlaubt sein: Warum sollten Soldaten in einem Krieg, in dem Menschenrechte ein Vorwand für die Wahrung oder Durchsetzung geostrategischer Interessen sind, warum sollten diese Soldaten Menschenrechte ernst nehmen?

Die Kriege und bewaffneten Konflikte auf unserem Erdball sind im letzten Jahr nicht weniger, sie sind mehr geworden. 38 „hoch gewaltsame Konflikte“ hat das Heidelberger Institut für Konfliktforschung im Jahr 2011 gezählt. Zunahmen gab’s besonders im Nahen und Mittleren Osten. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab es nicht mehr so viele Kriege auf der Welt. Auch deutsche Soldaten sind daran beteiligt. Allein 5000 in Afghanistan. Das muss aufhören!

Zugenommen hat einmal mehr auch der Waffenhandel, wie das Stockholmer Institut für Internationale Friedensforschung SIPRI am 19. März gemeldet hat. Und auch damit muss Schluss sein!

Für Kriege und bewaffnete Konflikte gibt es viele Ursachen. Wobei eins feststeht: Kriege brechen nicht aus wie ein Vulkan. Sie werden gemacht. Um diese Kriege führen zu können, brauchen die Konflikt- und Kriegsparteien Waffen. Und die sind reichlich vorhanden. Über 1,5 Billionen Dollar haben nach Berechnungen der schwedischen SIPRI-Forscher die Regierungen dieser Welt im Jahr 2010 für Rüstung ausgegeben.

Das sind 1.500 Milliarden Dollar und entspricht in etwa dem Bruttoinlandsprodukt von Australien. Also dem Wert aller in diesem Kontinent erzeugten Waren und Dienstleistungen. Das ist unvorstellbar. Die Rüstungsausgaben weltweit sind noch dazu 2010 gegenüber dem Vorjahr um sage und schreibe sechs Prozent gestiegen. Die Rüstungsindustrie hat keine Krise gekannt.

Auch die deutsche Rüstungsindustrie nicht. Deutschland stand 2011 wie schon in den Vorjahren an dritter Stelle der Rüstungsexportländer. Nach den USA und Russland. Ich finde das peinlich. Das krisengeschüttelte Griechenland war einmal mehr unter den Hauptabnehmern. Das finde ich peinlich und pervers. Das Volk muss massive Einschnitte beim Lohn, bei Renten und allen anderen öffentlichen Leistungen hinnehmen. Mehr als 20 Prozent der Griechen haben keine Arbeit und müssen von einer drastisch gesenkten Arbeitslosenunterstützung leben. Die Spardiktate aus Berlin und Brüssel machen viele Menschen bitterarm. Nur die Rüstungsausgaben bleiben auf hohem Niveau.

Griechenland erhält Kredite vom IWF und vom EFSF, dem Rettungsschirm, damit es weiter Rüstungsprodukte kaufen kann. Das darf doch nicht wahr sein, liebe Freundinnen und Freunde. Für die Menschen tun sie nix, bei der Rüstung sind sie fix. Wir wollen nicht, dass das so weitergeht.

Aber die Perversion der Aufrüster hat System. Es ist das System der Umverteilung von unten nach oben, von arm zu reich. Es ist das System, das dafür sorgt, dass hier im Revier über 25 Prozent aller Kinder von Hartz IV leben müssen. Jedes vierte Kind ist das! Unfassbar in einem der reichsten Länder der Welt. Dieses System müssen wir durchbrechen. Das sage ich als Gewerkschafterin. Das sage ich aber auch als Friedensfreundin. Denn diese Ungerechtigkeit in der Welt ist eine Hauptursache für kriegerische Auseinandersetzungen.

In Deutschland sind übrigens die Rüstungsausgaben gesunken. Die Verkleinerung der Bundeswehr macht sich durchaus bemerkbar. Aber genau deshalb macht sich die Lobby der Waffenhändler um so lauter bemerkbar. Sie drängt immer unverhohlener auf eine Liberalisierung der Waffenexporte, um weiter bombige Geschäfte und Gewinne zu machen. Und die Bundesregierung gibt diesem Drängen immer häufiger nach. Längst werden die formal strengen Rüstungsexportrichtlinien durch eine laxe Praxis unterlaufen. So hat sich Schwarz-Gelb in den Koalitionsvereinbarungen darauf geeinigt, Rüstungsexporte künftig weniger restriktiv zu handhaben. Ihr Argument: Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Staaten sind abzubauen und Arbeitsplätze zu sichern.

Natürlich haben wir als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter nichts dagegen, wenn Arbeitsplätze gesichert werden. Im Gegenteil, dafür kämpfen wir täglich. Das weiß man hier in Dortmund, das weiß man in Bochum und auch andernorts. Aber wir haben was dagegen, wenn das Arbeitsplatz-Argument dazu missbraucht wird, Rüstung und Rüstungsgeschäfte zu rechtfertigen.

Ich weiß: Beschäftigte in den Rüstungsbetrieben, viele von ihnen Mitglieder der IG Metall, fürchten sinkende Rüstungsausgaben und -aufträge. Nicht weil sie Krieg wollen. Sie haben schlicht Angst um ihre Arbeitsplätze und Einkommen, mit denen sie sich und ihre Familien über Wasser halten. - Das kann ich verstehen. Und wir wären eine schlechte Gewerkschaft, wenn uns das Schicksal der Beschäftigten kalt ließe.

Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, das lässt uns nicht kalt. Das hat uns schon bei anderen Struktur-Umbrüchen nicht kalt gelassen. Die Stahlarbeiter hier an der Ruhr wissen, wovon ich spreche. Wir brauchen die Umstellung von militärischer auf zivile Produktion. Wir können und wollen nicht darüber hinwegsehen, dass es sowohl kontrollierte Waffenexporte als auch unkontrollierte Waffenschieberei in Krisengebiete gibt.

Täglich fordern Waffenlieferungen ihre Opfer. Wo es viel Waffen und Munition gibt, werden Konflikte und Bürgerkriege angeheizt. Bewaffnete Banden terrorisieren die Bevölkerung. Menschen werden verstümmelt, weil sie auf Minen treten.

Rüstung tötet, auch im Frieden. Dieses Motto der Friedensbewegung gilt nach wie vor. Die Exporte von Waffen und ihre unkontrollierte Weitergabe tragen weltweit dazu bei, dass Menschenrechte verletzt und Kriege geführt werden. Sie halten eine Todesspirale in Gang.

Diese Spirale wollen wir alle durchbrechen. Auch die IG Metall will das, Kolleginnen und Kollegen. Sie hat auf ihrem letzten Gewerkschaftstag im November 2011 einen Beschluss gefasst, der an Deutlichkeit nichts vermissen lässt.

Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, die Rüstungsausgaben deutlich zu senken. Sie wird weiter aufgefordert, jegliche direkte oder indirekte Unterstützung von Kriegen oder kriegsähnlichen Handlungen zu unterlassen oder zu beenden. Sie soll den sofortigen Rückzug der Bundeswehr aus allen Kampfgebieten vollziehen.

Bundeswehr raus aus Afghanistan, Hände weg von Syrien, Hände weg von einem Waffengang gegen den Iran. Das haben wir einstimmig beschlossen.

Es hat ja auch Initiativen der IG Metall und von betrieblichen Kolleginnen und Kollegen aus Rüstungsbetrieben gegeben, von militärischer auf zivile Produktion umzuschalten. Es gibt sie immer noch. Und sie können Erfolge vorweisen. Zum Beispiel unsere Kollegen aus dem militärischen Schiffbau. Sie haben früh erkannt, dass sie ihr Know-how auch dafür nutzen können, auf dem Meer Windkrafträder zu bauen. Das ist, wie wir wissen, mittlerweile ein Zukunftsprojekt im Rahmen der Energiewende. Aber solange die Politik die Scheunentore für den Rüstungsexport weit offen lässt und die Rüstungskonzerne bombig verdienen, haben solche Initiativen wenig Chancen.

Rüstungsexporte machen weniger als ein Prozent aller auf dem Weltmarkt verkauften Güter aus Deutschland aus. Rund 80.000 Menschen arbeiten in Betrieben der Rüstungsindustrie. Da sollten wir keine Angst vor Umstrukturierung haben. Da haben wir zum Beispiel bei Stahl schon viel härtere Brocken bewegt.

Im Übrigen behaupte ich: Auch die Metallerinnen und Metaller, die heute noch Waffen oder anderes militärisches Gerät bauen, würden lieber heute als morgen zivile Güter herstellen.

Ich fordere daher die Bundesregierung auf, ihre undurchsichtige Genehmigungspraxis für Rüstungsexporte transparenter zu machen. Ich fordere sie weiter auf, das Parlament endlich bei Entscheidungen über Waffenexporte einzubeziehen statt in Geheimgremien entscheiden zu lassen.

Deutsche Rüstungsexporte müssen - das ist das Mindeste - endlich eine verbindliche Menschenrechtsklausel erhalten. Am besten jedoch wäre es, wenn in keinem Land dieser Welt Tod und Leid als Meister aus Deutschland auftreten würden. Wenn die Produktion von Waffen verboten und ihr Export damit ausgetrocknet würde.

Liebe Freundinnen und Freunde,
ich bin überzeugt: Wir können die Probleme, die es auf unserer Erde gibt, zivil lösen. Dafür müssen wir das Militärische stoppen, und zwar überall! In den Köpfen, auch in unseren eigenen. In den Medien, die sich allzu leichtfertig für militärische Interessen instrumentalisieren lassen. Schließlich in der Politik.

Hierfür sind wir an diesen drei Ostertagen gemeinsam auf die Straße gegangen. Und wir werden wieder auf die Straße gehen. Frieden ist zu wichtig für die Menschheit, um ihn allein den Politikern zu überlassen. Die Politik in die eigenen Hände nehmen! Das war das Thema beim Friedensratschlag im letzten Jahr. Und genau das sollten wir auch tun.

In Deutschland haben wir so lange Frieden wie nie zuvor: 67 Jahre. Seither halten wir uns an das, was uns Wolfgang Borchert in seinem eindrucksvollen Antikriegsgedicht hinterlassen hat: „Da gibt es nur eins: Sag Nein!“ - Nein zu jedem Krieg.

Wir wollen Frieden! Und wir wollen ihn ganz!

* Helga Schwitzer, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall; die Rede wurde beim Abschluss des Ostermarsches Rhein-Ruhr am 9. April 2012 in Dortmund gehalten.


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