Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Friedensbewegung verlangt eine "Wende zu einer vorausschauenden Friedenspolitik"

Erklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag – Zeitungsanzeige am Heiligen Abend

Am 2. Dezember tagte in Kassel der "Bundesausschuss Friedensratschlag", um über die Perspektiven und die nächsten Aktionen der Friedensbewegung zu beraten. Ergebnis war eine Erklärung „Zu unseren Aufgaben im kommenden Jahr“, die auch mit Vertretern von Friedensbewegungen aus dem Ausland abgestimmt wurde, sowie eine Art „Kurzfassung“ dieser Erklärung, die am 24. Dezember als Anzeige zumindest in der Frankfurter Rundschau erscheinen soll ("Spart endlich an der Rüstung").
Wir dokumentieren im Folgenden die beiden Texte im Wortlaut.



Erklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag

Zu unseren Aufgaben im kommenden Jahr

Wir verlangen eine Wende zu einer vorausschauenden Friedenspolitik, die auf Abrüstung und die Beseitigung von Konfliktursachen gerichtet ist. Alle bisherigen Versuche, die Probleme der Welt militärisch zu lösen sind opferreich gescheitert. Wir verweisen darauf, dass die Bundeswehr schon heute die größten nationalen Kontingente der EU und Nato geführten Auslandseinsätze stellt.

Statt Frieden und Abrüstung zu wagen, beschreitet die Regierung der Großen Koalition weiter den Weg Deutschlands zu einer hoch gerüsteten Militärmacht mit weltweiten militärischen Ambitionen. So geht es aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD hervor. Die Annäherung an die US-Kriegspolitik gegen den Irak, die offensivere Formulierung geostrategischer Ziele außerhalb des Nato-Bereichs und die Weiterführung milliardenschwerer Rüstungsprojekte für Auslandseinsätze der Bundeswehr stehen für eine Verschärfung des außen- und sicherheitspolitischen Kurses.

Unseren Protest gegen den Irakkrieg und unsere Forderung nach Abzug der Besatzungskräfte werden wir mit Aktionen in verschiedenen Städten deutlich machen: so am dritten Jahrestag des Kriegsbeginns am 20. März. Dabei wollen wir auch auf den engen Zusammenhang von Irak-Krieg und dem US-Zugriff auf dessen Erdölreserven verweisen. Die Bundesregierung muss jegliche Unterstützung des Krieges (Logistik, Ausbildung von irakischen „Sicherheitskräften“ usw.) einstellen.

Die US-Regierung ist dabei, die Weichen für neue Kriegsschauplätze in Syrien und Iran zu stellen. Wir werden darüber die Öffentlichkeit informieren, um mögliche neue Kriege zu verhindern. Der von der Bundeskanzlerin Merkel beabsichtigte enge Schulterschluss mit der Bush-Administration ist mit unserer Verantwortung für den Frieden nicht zu vereinbaren. Wir unterstützen die Proteste gegen die „Nato-Sicherheitskonferenz“ am 3. und 4. Februar in München und rufen zur Beteiligung auf.

Nach dem Scheitern der geplanten EU-Verfassung verlangen wir, Schluss zu machen mit der Militarisierung der Europäischen Union, die insbesondere im Aufbau zusätzlicher multinationaler Gefechtsverbände, der Verbesserung ihrer militärischen Fähigkeiten und im Aufbau einer Rüstungsagentur ihren Ausdruck findet. Für das friedliche, demokratische und sozial gerechte Europa, für das wir eintreten, brauchen wir keine europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion und keine EU-Armee. Wir unterstützen deshalb europaweite Aktionen gegen die Militarisierung des Kontinents. Wir lehnen die Versuche ab, den gescheiterten Verfassungsentwurf mit seinen Militarisierungsbestrebungen doch noch durchzusetzen. Wir wenden uns erst recht gegen die faktische Umsetzung der im Verfassungsentwurf vorgesehenen Militarisierung. Die Ostermärsche vom 14. bis 17. April sollen im Zeichen der europäischen Verständigung und der Abrüstung stehen.

Um das Überleben der Menschheit zu sichern, müssen - auch angesichts der wachsenden Zahl kernwaffenbesitzender Staaten - die Atomwaffen abgeschafft werden. Wir wenden uns besonders gegen den abenteuerlichen Charakter der neuen atomaren US-Erstschlagstrategie. Wer von anderen Staaten verlangt, keine Atomwaffen zu entwickeln und ihnen mit Sanktionen und Krieg droht, wie es aktuell die atomwaffenbesitzenden Staaten machen, muss zunächst selbst mit konkreten Abrüstungsschritten seines Atomwaffenpotentials ernst machen. Nur wer selbst Schritte zur atomaren Abrüstung geht, kann von anderen Abrüstung verlangen. 60 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki ist es dringlicher denn je, insbesondere an den Jahrestagen ein deutliches Nein zu Atomwaffen und ihrer möglichen Anwendung durch die USA zu sagen. Die auf deutschem Boden stationierten US-Kernwaffen müssen abgezogen werden. Erforderlich ist auch ein deutscher Verzicht auf nukleare Teilhabe. Dieses auch vor dem Hintergrund, dass deutsches Territorium als logistisches Drehkreuz für US-Kriegseinsätze und CIA-Aktionen dient.

Trotz der einschneidenden Kürzungen in vielen Haushaltsbereichen durch die Große Koalition werden die Rüstungsausgaben hiervon verschont. Diesen Widerspruch wollen wir aufdecken und mit der Forderung nach Abrüstung statt Sozialabbau verbinden. Den außerparlamentarischen gesellschaftlichen Kräften in Deutschland, die gegen Sozialabbau und Arbeitslosigkeit mobilisieren, wollen wir den engen Zusammenhang mit der parallel dazu laufenden Aufrüstung vermitteln.

Wichtig ist die Zusammenarbeit mit anderen sozialen Bewegungen, insbesondere den Gewerkschaften, der Sozialforumsbewegung, attac und den politischen Initiativen gegen den Sozialkahlschlag. Wir beteiligen uns an Aktivitäten zur Durchsetzung politischer auch friedenspolitischer Alternativen auf europäischer Ebene wie auch in der Bundesrepublik Deutschland. An der Vorbereitung und Durchführung bundesweiter oder regionaler Demonstrationen werden wir uns beteiligen.

Den Antikriegstag am 1. September – den Jahrestag des Überfalls auf Polen und damit der Entfesselung des 2. Weltkriegs - wollen wir wieder nutzen, um in gemeinsamen Veranstaltungen und Aktionen mit den Gewerkschaften und antifaschistischen Initiativen den Forderungen der Friedensbewegung eine größere Resonanz zu geben.

Terror und kriminelle Gewalt können nicht mit Krieg und Militär bekämpft werden. Der ausgeweitete „Anti-Terrorkampf“ ist selbst Terror und steigert die Spirale der Gewalt. Innenpolitisch wird dieser Kampf zunehmend in den Dienst des Abbaus demokratischer Grundrechte gestellt. Keine Regierung hat entgegen dem Gewaltverbot der UNO-Charta das Recht, zur Durchsetzung machtpolitischer und wirtschaftlicher Interessen überall dort Kriege zu führen, wo es ihr angebracht erscheint. Wir fordern den Rückzug der deutschen Truppen von Auslandseinsätzen und wenden uns gegen die im Koalitionsvertrag in Erwägung gezogene Ausweitung des Einsatzes im Innern.

Von Fraktionen und friedensorientierten Abgeordneten im Bundestag erwarten wir parlamentarische Initiativen zur Entmilitarisierung der Außen- und Innenpolitik. Dafür bieten wir unsere Unterstützung und Kooperation an. Dadurch kann eine Sogwirkung auf andere Parteien im Bundestag entstehen und im öffentlichen Diskurs wesentliche Forderungen der Friedensbewegung aufgenommen werden.

Wir wollen die in unserem Land vorhandene Mehrheit gegen Aufrüstung und Krieg mobilisieren, um die Wende zu einer anderen Politik, einer Politik des Friedens, der Abrüstung und der internationalen Solidarität zu schaffen.

Kassel, 2. Dezember 2005


Text für eine Zeitungsanzeige

Spart endlich an der Rüstung



Wir brauchen keine Eurofighter, Großtransportflugzeuge, Raketenabwehrsysteme, Marschflugkörper, Schützenpanzer, Korvetten, U-Boote, Laser- und Streubomben. Doch die Bundeswehr wird umgebaut, mit dem Ziel, sich künftig noch stärker an welt-weiten militärischen Einsätzen, an weiteren Kriegen, beteiligen zu können. Deshalb werden - trotz der einschneidenden Kürzungen in zivilen Haushaltsbereichen - neue milliardenschwere Rüstungsprojekte für Auslandseinsätze der Bundeswehr entwickelt.

Doch unser Land braucht Abrüstung statt Sozialabbau. Deutschland braucht vorrangig öffentlich geförderte Arbeitsplätze und Investitionen in Kinderbetreuung, Bildung, Gesundheit, Umweltschutz sowie integrierte Systeme von Waren- und Personenver-kehr. Der deutsche Sozialstaat wird nicht am Hindukusch, sondern gegen die Mächti-gen in Wirtschaft, Politik und Publizistik verteidigt. Wir fordern den Rückzug der deutschen Truppen von Auslandseinsätzen.

Ebenso fordern wir den Rückzug der Besatzungstruppen aus dem Irak und einen gerechten und dauerhaften Friedens in Nahost. Der Iran darf nicht zum nächsten Kriegsschauplatz werden. Die Androhung und Anwendung militärischer Gewalt muss aus-geschlossen werden. Keine Regierung hat das Recht, zur Durchsetzung machtpolitischer und wirtschaftlicher Interessen überall dort vorbeugend Krieg zu führen, wo es ihr angebracht erscheint. Dazu gehört auch Gewaltanwendung unter dem Deckmantel der weltweiten Terrorbekämpfung. Krieg selbst ist Terror.

Wir wollen eine vorausschauende Friedenspolitik, die weltweit auf Beseitigung der Konfliktursachen gerichtet ist. Die Versuche, die Probleme der Welt militärisch zu lösen, sind opferreich gescheitert. Krieg darf kein Mittel der Politik mehr sein.

Wir wollen eine friedliche Gesellschaft, globale Gerechtigkeit statt militärischer Vorherrschaft, wir wollen zivile vorbeugende Krisenbekämpfung statt Präventivkriege. Wir wollen keinen Einsatz der Bundeswehr im Innern, wir wollen keine EU-Armee, wir wollen ein demokratisches und sozial gerechtes Europa des Friedens.

**********

Wer diese Anzeige unterstützen will, soll als Einzelunterzeichner mindestens 20,- € (Organisationen und Initiativen mindestens 50,- €) auf das Konto der Friedens- und Zukunftswerkstatt e. V. bei der Frankfurter Sparkasse 1822 (BLZ: 500 502 01) Konto-Nummer 2000 81 390. (Stichwort: „Anzeige“) einzahlen. Die Beträge sind steuerlich absetzbar. Die Unterzeichner werden namentlich veröffentlicht.
Rückmeldungen per e-mail an: frieden-und-zukunft@t-online.de
Letzter Abgabetermin: Montag, 19. Dezember


Zurück zur Seite "Friedensbewegung"

Zur Presse-Seite

Zurück zur Homepage