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Sozialabbau und Militärausgaben

Bundeswehr weltweit in neun "Missionen" dabei. Worum geht es wirklich? Rede zum Antikriegstag 2006 von Klaus Schramm *

Auf der einen Seite wird der Bevölkerung - ob von "Rot-Grün" oder "Schwarz-Gelb" - seit Jahren eingebläut, es sei kein Geld in den Kassen, es müsse gespart werden und die Sozialausgaben seien zu hoch. Auf der anderen Seite ist Geld in Milliardenhöhe für weltweite Militäreinsätze der Bundeswehr und für Rüstungsausgaben vorhanden.

Ich gehe chronologisch der Reihe nach sämtliche 9 weltweiten Einsatzorte der Bundeswehr durch. Als erstes kommt also nicht der Kosovo - wie vielleicht die eine oder der andere erwartet - sondern:

1. Georgien und Abchasien

Ich zähle also nicht jeden Einsatzort einzeln, sondern nur die sogenannten Missionen. Dennoch sind es, wie wir nun sehen werden, inzwischen bereits neun.

Seit 1994 sind in Georgien und Abchasien deutsche Soldaten im Rahmen der UNOMIG (UN Observer Mission in Georgia) im Einsatz - angeblich zur Überwachung des Waffenstillstands zwischen Georgien und Abchasien.

Tatsächlich geht es um die Öl- und Gasvorkommen am Kaspischen Meer. Es ging um ein Zurückdrängen der russischen - ehemals sowjetischen - Einflußsphäre. Und es ging der "schwarz-gelben" Regierung unter Kohl um den Bruch der grundgesetzlichen Beschränkung der Bundeswehr auf die Landesverteidigung - ein Verfassungsbruch, den erst die "rot-grüne" Regierung unter Schröder Dank des pazifistischen Nimbus der Grünen in brutaler Konsequenz umsetzen konnte.

2. Kosovo

Seit 1999 stehen deutsche Soldaten im Kosovo. Es ging nicht darum, Massakers an Kosovo-Albanern oder - wie der damalige deutsche Außenminister glauben machen wollte - ein zweites Auschwitz zu verhindern. Noch bis drei Wochen vor Kriegsbeginn, noch Anfang 1999, wurden Kosovo-Albaner aus Deutschland abgeschoben mit der Begründung, "ein staatliches Programm zur Vertreibung aller Albaner aus dem Kosovo (sei) bis heute nirgends belegt" und die bis dahin "über tausend" Todesopfer und 300.000 Flüchtlinge rechtfertigten "nicht die Annahme einer unmittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung". Diese Zitate stammen aus offiziellen deutschen Dokumenten.

Worum ging es beim Kosovo-Krieg tatsächlich?

Es ging nicht um Humanität, sondern um geostrategische Ziele. Jugoslawien sollte restlos zerschlagen werden, um so den Transitweg über den Balkan für Öl- und Gas-Pipelines freizumachen.

3. Operation Active Endeavour

Als Drittes folgt nun keinesfalls Afghanistan - wie viele es vielleicht in Erinnerung haben. Seit dem 4. Januar 2002 sind deutsche Soldaten im östlichen Mittelmeer im Einsatz. Die Mission heißt OAE (Operation Active Endeavour).

Angeblich geht es um die "Seeüberwachung". Tatsächlich dient die Militärpräsenz der Sicherung der Route für Öltanker auf der Route durch den Suezkanal zwischen Mittelmeer und Rotem Meer. Sie bringen das Öl vom nördlichen Zipfel des Persischen Golfs - einen Teil des irakischen Öls, das iranische, das kuweitische Öl und das der kleinen, aber astronomisch reichen Emirate.

4. Afghanistan

Seit 14. Januar 2002 (selbstverständlich unterstützte die "rot-grüne" Regierung auch bereits den Afghanistan-Krieg 2001 beispielsweise mit Spezialkommandos) stehen deutsche Soldaten offiziell in Afghanistan und Usbekistan im Rahmen der Mission ISAE.

Angeblich geht es um die Herstellung und Wahrung der inneren Sicherheit in Afghanistan. Was nicht interessiert, ist der Opium-Anbau. Über 90 Prozent des gesamten Heroins, das in Westeuropa auf dem Markt ist, stammt aus Afghanistan. Die Mehrzahl der afghanischen War-Lords finanziert mit dem Opiumhandel den eigenen Lebensunterhalt und Waffenkäufe für die Privat-Armeen. Da ein Arrangement mit den lokalen War-Lords getroffen wurde und der afghanische Marionetten-Präsident Hamid Karsai, der jahrelang als Besitzer einer Restaurant-Kette in den USA gelebt hatte, außerhalb der Grenzen der afghanischen Hauptstadt Kabul nichts zu sagen hat, wird über den Mohnanbau und den Opiumhandel hinweggesehen. Was ebenso wenig interessiert, ist die Situation der afghanischen Frauen. Sie hatte ebenfalls lediglich als Vorwand für den Afghanistan-Krieg herhalten müssen, ist aber heute genau so desolat wie zu Zeiten der Herrschaft der Taliban.

Worum geht es tatsächlich in Afghanistan?

Die Taliban wollten den Bau einer Gas-Pipeline vom Kaspischen Meer zum Indischen Ozean nicht dulden. In den 90er Jahren waren sie, die Mudjaheddin und die War-Lords von den USA mit enormen finanziellen Mitteln und Waffenlieferungen aufgepäppelt worden, um so indirekt die Besetzung des strategisch wichtigen Afghanistan durch die UdSSR indirekt zu bekämpfen.

5. Horn von Afrika

Seit dem 2. Februar 2003 sind deutsche Soldaten bei Dschibuti und am Horn von Afrika im Einsatz - also vor Somalia. Angeblich geht es um die Sicherung des Schiffsverkehrs. In den Mainstream-Medien ist immer häufiger von neuer Piraterie in diesen Gewässern die Rede. Frachter und sogar Kreuzfahrtschiffe würden gekapert. Und angeblich geht es bei dieser Mission nun plötzlich auch um die "Unterbindung des Handels und Transports von Drogen, Waffen und Munition". Lächerlich! Er gibt keinerlei Daten oder Statistiken, in welchem Umfang in dieser Hinsicht etwas geleistet würde.

Tatsächlich geht es hier ebenfalls um die Sicherung der Route der Öltanker vom Persischen Golf über Rotes Meer - Suez-Kanal - Mittelmeer. Bezeichnend ist, daß noch niemals von Kaperung oder Beschuß eines Öltankers berichtet wurde. Wenn hingegen Kreuzfahrtschiffe wegen Berichten über Piraten diese Region meiden, trägt dies dazu bei, den tatsächlichen Zweck der Mission zu verschleiern.

6. Äthiopien und Eritrea

Seit Februar 2004 stehen deutsche Soldaten in Äthiopien und Eritrea. Angeblich dient dies zur Überwachung des Abkommens von Algier vom Juni 2000 - Waffenstillstand und Einhaltung einer entmilitarisierten Zone. Das hört sich schön an.

Tatsächlich jedoch geht es ebenso wie bei der dritten und fünften Mission um die Absicherung der genannten Tanker-Route. Andere Regionen in Afrika, wo aktuell bewaffnete Konflikte zu verzeichnen sind und wo Völkermord begangen wird, interessieren nicht das geringste.

7. Bosnien und Herzegowina

Seit Dezember 2004 stehen deutsche Soldaten in Bosnien und Herzegowina im Rahmen der EUFOR (European Union Force).

Angeblich geht es um die Absicherung des Friedensvertrags von Dayton und die Überwachung von Rüstungskontrollabkommen.

Tatsächlich jedoch dient die Militärpräsenz allein dem Zweck, den Balkan als Transitstrecke für Gas- und Öl-Pipelines zu kontrollieren.

8. Sudan

Seit April 2005 stehen deutsche Soldaten im Sudan; der Einsatz soll mit massiver medialer Unterstützung ausgeweitet werden.

Angeblich geht es um die Absicherung des Friedensvertrags im Südsudan von Anfang 2005 und - möglichst bald - darum, einen angeblichen Völkermord in Darfur, im Osten des Sudan, zu verhindern. Nun finden in Darfur tatsächlich Verbrechen und Vertreibungen statt - kein vernünftiger Mensch leugnet das. Diese haben jedoch keineswegs die Dimension von Völkermord wie in anderen Regionen Afrikas, wo über grausamere Verbrechen hinweggesehen wird, wenn es den Interessen der Großmächte und insbesondere der internationalen Konzerne dient. In Darfur jedoch hat sich die Situation seit dem mit der sudanesischen Regierung abgesprochenen Eingreifen der Afrikanischen Union stetig gebessert, wie auch unabhängige Beobachter bestätigen.

Ein Beispiel, das über das Ausmaß an Heuchelei der westlichen Propaganda und Darstellung der Mainstream-Medien Aufschluß geben kann: Botswana im Süden Afikas wird - auch in der 'Badischen Zeitung' - als "Musterländle" dargestellt. Diamantenminen mit gigantischen Vorkommen könnten den Reichtum Botswanas für Jahrzehnte sichern. Allein aus der Mine Jawaneng werden Jahr für Jahr Diamanten im Wert von über einer Milliarde Dollar gewonnen. Diese Diamantenminen können - unter anderem vom berühmt-berüchtigten südafrikanischen Konzern de Beers - ungehindert ausgebeutet werden. Sie finden sich im Bereich der Kalahari, wo das Volk der !Kung (hierzulande bekannt unter der als Schimpfwort geltenden Bezeichnung "Buschmänner") traditionell lebt. Diese Menschen, die noch ähnlich wie die Aborigines in Australien leben, werden erbarmungslos verjagt und vernichtet. Zynischer Weise ist hierzulande stattdessen über Botswana zu lesen: "Das ethnisch homogene Land wird praktisch nur von einem Volksstamm bewohnt und hat hauptsächlich deshalb eine friedliche Vergangenheit." Zwei Lügen in einem Satz. Die Existenz der !Kung wird bewußt geleugnet und zugleich wird das Vorurteil bedient, Ursache von Konflikten seien in der Regel ethnische oder religiöse Gegensätze - und nicht etwa ökonomische Interessen.

Worum geht es tatsächlich im Sudan?

Nicht um Diamanten, nicht um Uran oder Coltan, um andere Beispiele zu nennen, sondern; wieder einmal um Öl. Im Sudan - genauer gesagt: Im Süden des Sudan - liegt eines der letzten großen Ölvorkommen des Planeten. Nennenswert sind daneben noch die in der Region des Kaspischen Meers und die Nigerias.

Statt um eine "humanitäre Intervention" geht es also auch hier um die Sicherung von Rohstoffen, um ökonomische Interessen. Die Pläne sind gar nicht einmal großartig versteckt, sondern können - mit ein wenig Mühe - auf den Wirtschaftsseiten der großen Tageszeitungen immer mal wieder entdeckt werden. Zur Zeit führt die Pipeline aus dem Süden des Sudan über die Hauptstadt Karthoum im Boden nach Norden und dann nach Osten zur Hafenstadt Port Sudan am Roten Meer, wo das Öl verschifft wird. Der springende Punkt jedoch ist, daß das Öl bis dorthin der Kontrolle der sudanesischen Zentralregierung untersteht. Ähnlich wie in Venezuela und im Gegensatz beispielsweise zu Nigeria entgeht den Mineralöl-Konzernen so ein beträchtlicher Teil des Profits.

Die Pläne zielen auf eine Abspaltung des Süd-Sudan, um dann mit Hilfe einer Marionetten-Regierung direkten Zugriff aufs Öl zu erlangen. Die deutsche Firma Thormählen Schweißtechnik AG soll eine 2.500 Kilometer langen Eisenbahnlinie vom Süden des Sudan über Uganda bis nach Kenia bauen. Ziel ist die kenianische Hafenstadt Mombasa, wo das Öl auf Tanker verladen werden kann. Allein für diese Bahnstrecke ist ein Investitionsvolumen von rund einer Milliarde Euro vorgesehen, weitere zwei Milliarden Euro sollen in den begleitenden Ausbau der Infrastruktur fließen. Insgesamt handelt es sich um das größte deutsche Investitionsvorhaben in Afrika. Vier ostafrikanische Staaten sollen zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum verknüpft werden - unter europäischer Oberhohheit.

9. Kongo

Seit dem 20. Juni 2006 stehen deutsche Soldaten in der DR ("Demokratische Republik") Kongo und in Gabun. Offiziell begann die "Mission" am 10. Juli.

Angeblich geht es um die Sicherung der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen.

Tatsächlich jedoch geht es auch hier um ökonomische Interessen. Der Kongo ist das ärmste und zugleich rohstoffreichste Land Afrikas. Diamanten, Uran, Gold, Erdöl, Kupfer, Kobalt und das für die Elektronik-Industrie, speziell die Handy-Produktion wichtige Coltan - gigantische Reichtümer, die selbst die Ölquellen der Saudis in den Schatten stellen. So war die DR Kongo Schauplatz des "Ersten Afrikanischen Weltkriegs", bei dem die Zahl der Getöteten allein in den sechs Jahren von 1997 bis 2003 bei 3,3 Millionen lag.

Die wenigsten Menschen in Deutschland wissen überhaupt, was Coltan ist, und wofür über 3 Millionen Menschen - bildlich gesprochen - ihr Leben lassen mußten. Bei Coltan handelt es sich um ein Erz, einen schwarzen Sand, das aus den beiden Elementen Columbium und Tantal besteht. Columbium ist die im angelsächsichen Sprachraum übliche Bezeichnung für das Element Niob. Coltan zählt nicht nur für die zivile, sondern besonders für die militärische Produktion zu den "unverzichtbaren" Rohstoffen. Das seltene Metall Tantal ist extrem hitze- und säurebeständige, einfach zu verarbeiten und wird für die Produktion von Handys, Flugzeugmotoren, Airbags, Nachtsichtgeräten und Kondensatoren verwendet. Insbesondere in der Raumfahrttechnik und bei High-Tech-Waffen spielen sowohl Niob - also Columbium - und Tantal eine wichtige Rolle. Das Pentagon stuft Tantal als "strategischen Rohstoff" ein.

Und nun in den Nahen Osten?

Und 10. soll es nun aktuell um den Einsatz deutscher Soldaten im Nahen Osten, im Dreieck zwischen Israel, dem Libanon und Syrien gehen.

Auch hier geht es angeblich um eine "Friedensmission" mit der Waffe in der Hand.

Doch worum geht es tatsächlich?

Seit Jahrzehnten wird der Konflikt im Nahen Osten aus zwei Gründen am Kochen gehalten. Auf dem Rücken der Israelis dient der Staat Israel als Brückenkopf im arabischen Raum für die USA und die mit ihr verbündeten Großmächte. Ein gemeinsamer Staat von Israelis und Palästinensern würde diese Rolle nicht mehr spielen können. Zugleich war kaum eine andere Region weltweit so kontinuierlich einer der profitabelsten Absatzmärkte für Waffen. Dabei spielt es keine Rolle, welche der beiden Seiten direkt und welche indirekt mit Waffen beliefert wurde. Solange der Konflikt immer wieder angeheizt werden konnte, blüht der Absatzmarkt für Waffen aller Art. Dabei ist noch gar nicht berücksichtigt, wie viele lebenswichtige Ressourcen Israel irrsinniger Weise und ohne damit zusätzliche Sicherheit gewinnen zu können in die Entwicklung und den Bau eigener Atomwaffen investierte.

Die Rüstung der Bundeswehr

Auch für die Aufrüstung der Bundeswehr stehen offenbar unbegrenzte Finanzmittel zur Verfügung. Die Bundesregierung will noch in diesem Jahr neue Rüstungs-Projekte mit einem Volumen von knapp sechs Milliarden Euro auf den Weg bringen. Ein einziger Eurofighter kostet allein 108 Millionen Euro.

Das Verteidigungsministerium bestätigte Berichte über eine entsprechende Planungsliste, die in eine Vorlage des Finanzministeriums an den Haushaltsausschuss des Bundestages einfließen soll. Demnach wird die Bundeswehr neue Fregatten, U-Boote und eine neue Generation geschützter Fahrzeuge erhalten; die Kosten sollen schrittweise im Laufe der kommenden Jahre anfallen.

Verteidigungsminister Jung will unter anderem dem Heer für rund 891 Millionen Euro 272 gepanzerte Transportkraftfahrzeuge vom Typ Boxer zur Verfügung stellen. Das für Auslandseinsätze wichtige vierachsige Fahrzeug kann bis zu zehn Soldaten aufnehmen, ist - mit einem Maschinengewehr ausgestattet - bei einer Reichweite von 1.050 Kilometern über 100 Kilometer pro Stunde schnell und bietet Schutz gegen Minen und Beschuß. Weitere große Rüstungsvorhaben sind vier Fregatten vom Typ 125 für 2,2 Milliarden Euro sowie zwei U-Boote vom Typ 212 für 864 Millionen Euro. Für die Modernisierung des seit 30 Jahren betriebenen Transporthubschraubers CH 53 sollen zudem rund 500 Millionen Euro ausgegeben werden.

Wenn diese Militärausgaben nur durch die Aufnahme weiterer Staatsschulden möglich sein werden - der Bundeshaushalt ist seit Waigels Zeiten eher ein Feld für Trickbetrügereien im Stile Enrons denn für transparente Bilanzführung - dann auch Dank der Umverteilungspolitik von "Rot-Grün": Mit der Steuerreform im Jahr 2000 wurden jährlich Steuereinnahmen von mehr als 20 Milliarden Euro verschenkt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den bewußt herbeigeführten Mindereinnahmen bei
  • Vermögenssteuer
  • Einkommensteuer
  • Gewerbesteuer
  • Zinsabschlagsteuer und
  • Körperschaftsteuer.
Und auch bei der Genehmigung von Rüstungsexporten hatte die "rot-grüne" Bundesregierung "Schwarz-Gelb" in den Schatten gestellt. Erst Anfang dieses Jahres wurde mit über einjähriger Verspätung der gesetzlich unumgängliche "Rüstungsexportbericht" der Bundesregierung für das Jahr 2004 vorgelegt.

Hier die offiziellen Zahlen über die Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter für den Zeitraum von 1996 bis 2004 im Überblick:

1996: 1,0 Mrd. DM
1997: 1,4 Mrd. DM
1998: 1,3 Mrd. DM
1999: 2,8 Mrd. DM (1,5 Mrd. Euro)
2000: 5,9 Mrd. DM (3,0 Mrd. Euro)
2001: 3,7 Mrd. Euro
2002: 3,3 Mrd. Euro
2003: 4,9 Mrd. Euro
2004: 3,8 Mrd. Euro

Wie das Bundeswirtschaftsministerium in seinem vom Kabinett beschlossenen Rüstungsexportbericht hervorhebt, sind 2004 die Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter um 1,1 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr gesunken. Das hört sich ohne einen Blick auf die Entwicklung der letzten Jahre recht schön an. Auch der Export von Kriegswaffen sei in diesem Zeitraum um 15 Prozent zurückgegangen. Der Anteil von Kriegswaffen an deutschen Gesamtexporten habe bei nur 0,15 Prozent gelegen. Bei den insgesamt genehmigten Rüstungsexporten sei mit 72 Prozent der Großteil in die EU sowie in Nato-Länder geliefert worden. Genehmigungen seien erst nach eingehenden Überprüfungen erteilt worden. Insbesondere sei sichergestellt worden, daß durch deutsche Rüstungsgüter nicht Menschenrechtsverletzungen begangen würden.

Tatsächlich sieht es anders aus. Der Bundesausschuß Friedensratschlag warf der Bundesregierung "Manipulation und Verharmlosung" vor. Als erstes wird kritisiert, daß die Zahlen für das Jahr 2004 erst im Januar 2006 veröffentlicht wurden. Eine zeitnahe öffentliche Debatte werde damit verhindert. Auch die Hervorhebung, daß der Rüstungsexport gegenüber dem Vorjahr gesunken sei, erweist sich als manipulativ, wenn sie vor dem Hintergrund der Entwicklung der letzten Jahre betrachtet wird.

So kritisieren Lühr Henken und Peter Strutynski im Namen des Bundesausschusses Friedensratschlag, daß zwar der Wert der deutschen Kriegswaffenausfuhren (ein Teil des gesamten Exports an Rüstungsgütern) des Jahres 2004 mit 1,1 Milliarden Euro um 200 Millionen unter dem Vorjahreswert liege, wie es im Exportbericht beschwichtigend heißt. Es sei aber der dritthöchste Wert seit 1996 und er liege um rund 50 Prozent über dem Jahresmittel. Der getätigte deutsche Kriegswaffenexport bleibe 2004 auf erschreckend hohem Niveau. Dasselbe gelte auch für die 2004 erteilten Genehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern, was Kriegswaffen und Ausrüstungen wie Elektronik und militärische Bauteile einbeziehe. Die Summe der Einzel- und Sammelausfuhrgenehmigungen sei die höchste seit 2001.

Paul Schäfer, der verteidigungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion "Die Linke", weist in einer Stellungnahme darauf hin, daß die sogenannten Dual-use Güter, die in den Empfängerstaaten in militärische Güter eingebaut werden können, nicht im Bericht erfaßt seien. Es schließt daraus, daß das tatsächliche Genehmigungsvolumen weitaus höher sein dürfte.

Als "besonders schlimm" schätzt der Sprecher der christlichen "Kampagne gegen Rüstungsexport", Paul Russmann, die Lieferung von rund einem Drittel aller Rüstungsexporte in Entwicklungsländer ein. Damit werde "weiterhin Öl ins Feuer bestehender Konflikte" gegossen. Von einer zurückhaltenden, restriktiven Rüstungsexportpolitik könne angesichts der Lieferung in 122 Länder nicht die Rede sein.

Auffällig ist auch, daß die Zahl der sogenannten Kleinwaffenexporte kaum gesunken ist. Der Wert des Jahres 2003 von 8,59 Mio. Euro wurde mit 8,17 Mio. Euro zwar nicht ganz erreicht, ist aber der zweithöchste Wert seit 1996. Dabei ist zu berücksichtigen, daß das Internationale Komitee vom Roten Kreuz 95 Prozent der Getöteten heutiger Kriege auf den Einsatz dieser Kleinwaffen zurückführt. Henken und Strutynski stellen Angesichts der Entwicklung der letzten zehn Jahre fest: "Die Ausfuhrgenehmigungen wurden unter Rot-Grün massiv gesteigert. Lagen die Exporte in den drei letzten Jahren der Kohl-Regierung noch bei jahresdurchschnittlich 14,88 Millionen Euro, so steigerte die Schröder-Regierung den Schnitt auf 36,58 Millionen Euro - somit auf das Zweieinhalbfache." Darin enthalten seien auch die Kleinwaffenausfuhren in "Drittländer". "Zwar konnte 2004 der Höchstwert des Vorjahres (8,59 Millionen Euro) nicht ganz erreicht werden, aber die 8,17 Millionen von 2004 stellen trotzdem den zweithöchsten Wert seit 1996 dar."

Unter den Empfängern der Waffenexporte sind ganz offensichtlich Staaten, die in Spannungsgebieten liegen. Die Behauptung der Bundesregierung bei der Vorlage des Rüstungsexportberichts, "Deutschland liefert nicht in Spannungsgebiete", schätzen Henken und Strutynski als einen dreisten Täuschungsversuch der Öffentlichkeit ein. Sie stellen demgegenüber fest: "Diese Exporte heizen vorhandene Konflikte zusätzlich an".

Statt beispielsweise ausrangierte Waffen zu exportieren, fordert die Friedensbewegung schon immer, daß diese verschrottet werden. Nach der Erklärung ihres Verteidigungspolitischen Sprechers strebe die Bundestagsfraktion "Die Linke" ein grundsätzliches Verbot von deutschen Rüstungsexporten an. Wie aus der SIPRI-Statistik hervorgeht, ist die Bundesrepublik auch mit den von ihr offiziell zugegebenen Zahlen der viertgrößte Rüstungsexporteur der Welt.

Kein Grund also für neuen deutschen Nationalismus, sondern eher, sich vor 90 Prozent der Weltbevölkerung zu schämen.

* Klaus Schramm ist freier Journalist, Mitglied der DFG/VK, Mitglied des Friedensforums Lahr


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