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Fraktion im Zugzwang

Struck: Bundeswehr noch mindestens zehn Jahre in Afghanistan

Von Gabriele Oertel *

Nachdem die SPD-Fraktion am Mittwochabend auf einer Sondersitzung drei Stunden lang über die umstrittenen Afghanistan-Mandate der Bundeswehr beraten hatte, gab ihr Chef Peter Struck gestern Morgen zu Protokoll, dass die Bundeswehr noch mindestens zehn Jahre in Afghanistan bleiben werde.

Gestern (5. Juli) wurde bekannt, dass der Chef der SPD-Bundestagsfraktion bald in Dresden zum Sprecher des Freundeskreises Herbert-Wehner-Bildungswerk gekürt werden soll. Eine gute Wahl! Zumindest in puncto Zuchtmeister dürfte Peter Struck dem großen Vorgänger das Wasser reichen können.

Zumindest muss derlei all jenen Mitgliedern seiner Fraktion gestern mal wieder ins Bewusstsein gerückt sein, als sie frühmorgens »Deutschlandradio« hörten. Denn ungeachtet der dreistündigen Diskussion auf einer Fraktions-Sondersitzung am Abend zuvor, bei der die Fortsetzung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr nicht nur uneingeschränkten Beifall aller Genossen gefunden hatte, zeigte sich der frühere Verteidigungsminister Struck überzeugt, dass die Bundeswehr noch mindestens zehn Jahre in Afghanistan bleiben würde. Auch wenn der Fraktionschef nachschob, dass der Zeitpunkt kommen werde, an dem man sich auf ein Ausstiegsszenario verständigen müsse – die Botschaft war klar: Im Herbst würde die SPD einer Verlängerung aller drei deutschen Mandate zustimmen. »Die Mehrheit wird nicht wackeln«, war sich der Freund klarer Wehnerscher Worte sicher.

Bestimmt nicht zu Unrecht. Bislang hat man es in der SPD-Fraktion immer wieder verstanden, die im Vorfeld bisweilen vielstimmige Truppe auf einen Grundton einzustimmen – nämlich den, den die Fraktionsspitze vorgab. Und immer wieder waren dabei nicht nur die berühmten Basta!-Worte gefallen, sondern erfuhr auch die wunde Seele manches Abgeordneten sanfte Streicheleinheit. Selbst wenn die sich auch nur darin erschöpft, mit einer Entscheidung noch Zeit zu haben. Nicht von ungefähr war wohl mit entsprechendem zeitlichen Vorlauf der Mittwoch-Termin für die Vorlage des Berichts der Afghanistan-Projektgruppe anberaumt worden, auf dem die Genossen auch über ihre Bauchschmerzen, insbesondere bei der deutschen Beteiligung an der Operation Enduring Freedom, reden konnten. Freitag entfleuchen die Abgeordneten in eine neunwöchige Parlamentspause – und am 7. September soll die endgültige SPD-Haltung festgelegt werden.

Nach Informationen von »spiegel-online« sei das Vorgehen der Fraktionsspitze auch entsprechend honoriert worden: »Bei uns wird wenigstens diskutiert«, wird der bayerische SPD-Abgeordnete Florian Pronold mit Blick auf den Koalitionspartner Union zitiert, bei dem kritisch zum Afghanistan-Einsatz stehende Kollegen nur Ja sagen könnten. Ob allerdings viele Nein-Sager in der SPD-Fraktion am Ende übrig bleiben, ist eher fraglich. Auch wenn im Projektgruppen-Papier bestimmte Modifizierungen des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr angeregt werden, die deutsche Beteiligung wurde für unverzichtbar erklärt.

Angesichts von Strucks Zuchtmeister-Qualitäten und dem Experten-Votum dürfte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, der gestern noch wacker für einen Ausstieg aus der Operation Enduring Freedom plädierte, schlechte Karten haben. Wenn er die überhaupt nach einem geruhsamen Urlaub im September noch in den Händen hält.

* Aus: Neues Deutschland, 6. Juli 2007


Verantwortung für Afghanistan

06.07.2007

Dr. Peter Struck


Wir haben am Mittwoch in einer Sondersitzung der SPD-Bundestagsfraktion den Bericht der Arbeitsgruppe zu Afghanistan beraten. Erstmals haben sich 22 Abgeordnete unserer aus den Ressorts Innenpolitik, Außenpolitik, Verteidigung, Menschenrechte und Entwicklungszusammenarbeit ressortübergreifend der Wiederaufbauarbeit in Afghanistan gewidmet.

Unser Engagement in Afghanistan ist notwendig und richtig. Auch Deutschland hat ein Interesse an der Stabilisierung des Landes. Stabilisierung heißt: Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Justiz, Meinungs- und Pressefreiheit sowie Bildung für alle und eine funktionierende Wirtschaft. Selbst wenn die Verbesserungen in Afghanistan bei weitem noch nicht denen einer westlich geprägten Demokratie entsprechen, sind die Fortschritte unverkennbar. Beim Kampf gegen den Drogenanbau sowie beim Vorgehen gegen die Korruption im Land müssen hingegen sichtbarere Fortschritte erzielt werden. Da ist die afghanische Regierung als erstes gefordert.

Das ISAF-Mandat zum Wiederaufbau müssen wir geduldig weiterführen. Die "Operation Enduring Freedom" wirkt dabei flankierend, denn der Wiederaufbau muss natürlich auch geschützt werden.

Der Bericht der "Task Force" befürwortet ebenfalls das Grundkonzept des deutschen Afghanistan-Engagements, die zivil- militärische Zusammenarbeit. Denn es kann keine Wiederaufbauhilfe ohne militärischen Schutz geben. Die Sicherheitslage ist sehr fragil. Daher müssen wir verhindern, dass Afghanistan erneut zum Ausgangspunkt von Operationen des internationalen Terrorismus wird.

Wir sollten uns an unserer Selbstverpflichtung orientieren, nämlich gemeinsam mit unseren Verbündeten den Wiederaufbau in dem von Krieg zerstörten Land zu gewährleisten. Afghanistan braucht uns solange bis es mit eigenen Kräften für seine Sicherheit sorgen kann. Hierfür ist sowohl die Ausbildung der Soldaten als auch der Polizei, bei der sich Deutschland massiv beteiligt, von zentraler Bedeutung. Aber auch der Bau von Schulen für Jungen und Mädchen, die Entstehung von Infrastruktur, Wasserversorgung und Elektrizität sind Projekte, die wir weiter vorantreiben müssen. Denn: Die Menschen in Afghanistan zählen auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft.

Auf unserer Klausursitzung im September werden wir erneut zu Afghanistan beraten. Dann werden uns auch afghanische Regierungsvertreter, Parlamentarier und Repräsentanten der Gesellschaft Einblicke in ihr Land geben.

Quelle: Website der SPD-Fraktion; www.spdfraktion.de




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