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Das Schicksal der NATO entscheidet sich in Afghanistan

Presseecho auf den Internationalen Afghanistan-Kongress in Hannover - Artikel und Interviews

Am 7./8. Juni fand ein Internationaler Afghanistankongress in Hannover statt. Im Folgenden dokumentieren wir:


NATO steht oder fällt mit Afghanistan

Friedensbewegung erörterte Möglichkeiten des Kampfes gegen Kriegseinsatz am Hindukusch

Von Christian Klemm, Hannover *

Am Wochenende trafen sich Friedensaktivisten aus zehn Ländern zum Internationalen Afghanistan-Kongress in Hannover. Neben der Lage im zentralasiatischen Staat diskutierte die Friedensbewegung ihre nächsten Schwerpunkte.

Mit drei Ergebnissen endete der Kongress »Dem Frieden eine Chance – Truppen raus aus Afghanistan« am Sonntag. Die Friedensaktivisten aus Deutschland, den USA, Belgien, Holland und anderen Ländern planen die Gründung eines Netzwerkes, das die bisher unabhängigen Aktionen koordiniert und verbindet. Dieses biete die Möglichkeit eines zusätzlichen Erfahrungsaustauschs und sei ein »sinnvoller Schritt hin zu einer produktiveren Friedenspolitik«, meinte Mitorganisator Otmar Steinbicker, Vorsitzender des Aachener Friedenspreises.

Die deutsche Friedensbewegung will sich außerdem in die Planungen für das Europäische Sozialforum Mitte September im schwedischen Malmö einschalten und auch vor Ort präsent sein. Schließlich sind vor der Mandatsverlängerung für den Kriegseinsatz der Bundeswehr am Hindukusch am 20. September Demonstrationen in Berlin und Stuttgart geplant.

Die rund 400 Kongressteilnehmer waren sich einig: Die Besatzungstruppen müssen aus Afghanistan abgezogen werden – und zwar sofort. In einem Papier fordern sie die Bundesregierung auf, den Bundeswehreinsatz am Hindukusch weder auszuweiten noch zu verlängern. »Die Bundesregierung lügt, wenn sie den Mund aufmacht«, kommentierte Peter Strutynski vom Kasseler Friedensratschlag die vorgeblichen Ziele der Bundeswehr. Den Invasionstruppen gehe es weder um die Stabilisierung des Landes noch um den Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen. »Für die NATO zählt alleine der militärische Erfolg. Afghanistan ist ihre erste wirkliche Bewährungsprobe«, so der Politikwissenschaftler von der Universität Kassel.

Daran indirekt anknüpfend, vertrat Claudia Haydt von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung die These: »Das Überleben der NATO hängt von einem Sieg in Afghanistan ab. Wird das Bündnis besiegt, fällt es auseinander.« Zusammen mit anderen europäischen Friedensaktivisten ruft der Bundesausschuss Friedensratschlag schon jetzt zu Protesten gegen den »NATO-Doppelgipfel«, den 60. Geburtstag des Militärbündnisses in Kehl und Straßburg, im kommenden Frühjahr auf.

Umfragen der Meinungsforschungsinstitute stellen eine stabile Ablehnung des Afghanistan-Kriegseinsatzes von rund 70 Prozent der deutschen Bevölkerung fest. Nach Auffassung von Reiner Braun, Geschäftsführer der deutschen Sektion der International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA), ist diese Ablehnung ein »Zeichen der Friedenssehnsucht der Bevölkerung«, die mit den historischen Erfahrungen Deutschlands und dem langjährigen Wirken der Friedensbewegung zu erklären sei. Peter Strutynski schließt aus dieser Bestandsaufnahme auf die »dringendste Aufgabe der Friedensbewegung«: Es gelte, die Distanz zwischen der Bevölkerungsmehrheit und den Aktivisten zu schließen.

Elaheh Rostami Povey, Hochschuldozentin an der School of Oriental and African Studies in London, verdeutlichte, warum der internationale Militäreinsatz in Afghanistan als gescheitert gelten müsse. In dem Land werden nach einer UNO-Statistik 92 Prozent des weltweiten Opiums zur Heroinproduktion angebaut. Das Land gelte als das viertärmste Land der Welt, in dem die Menschen eine Lebenserwartung von nur 40 Jahren hätten. Und, so die gebürtige Iranerin, trotz massiver Militärpräsenz kontrolliere die von den Besatzern eingesetzte Regierung Karzai nur 30 Prozent Afghanistans.

Ein Höhepunkt war der Vortrag des ehemaligen US-Soldaten und Afghanistanveteran James Gilligan. Nach einer falschen Kompassnavigation wurde auf seinen Befehl hin ein afghanisches Dorf bis auf die Grundmauern verwüstet. Gilligan, der am Donnerstag auch vor dem Menschenrechtsausschuss des Bundestages sprach, ist seit diesem Vorfall psychisch krank. Sichtlich beeindruckt, leitete Wolfgang Strengmann-Kuhn, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen, in einer der Forumsdiskussionen ein mögliches Kongressresümé ab: »Krieg ist die Hölle. Er darf nie wieder ein Mittel der Politik sein!« Gut, solche Sätze von einem Grünen zu hören.

Fakten zum Krieg

Der deutsche Afghanistan-Einsatz ist nach Auffassung der Bundesregierung durch drei Mandate gedeckt. Die Internationale Schutztruppe (ISAF) ist eine »Sicherheits- und Aufbaumission« unter NATO-Führung. An der ISAF-Mission, die durch die UN-Resolution 1386 legitimiert ist, nehmen momentan 40 Nationen mit rund 52 000 Soldaten teil, davon 3500 Deutsche.

Die Operation Enduring Freedom (OEF) ist ein Anti-Terror-Einsatz unter US-Führung. Die Bundesrepublik beteiligt sich an OEF aktuell mit etwa 450 Soldaten; davon sind 100 am Hindukusch stationiert. Rechtsgrundlage der Mission ist die UN-Resolution 1368. Die Bundeswehr stellt seit April vergangenen Jahres Tornado-Kampfflugzeuge für den Afghanistan-Krieg zur Verfügung. Die Mandate für den ISAF- und den Tornado-Einsatz wurden im September 2007 zusammengelegt.

Die Anschläge in Washington und New York am 11. 9. 2001 wurden von den NATO-Staaten als ein Angriff auf eines ihrer Mitglieder gewertet. Die NATO erklärte noch im September 2001 – erstmals seit ihrer Gründung 1949 – den Bündnisfall. Nach Artikel 5 des NATO-Vertrages ist jeder Mitgliedsstaat verpflichtet, Militär für den Kampfeinsatz am Hindukusch bereitzustellen.

Bis heute sind etwa 800 Besatzungssoldaten in Afghanistan getötet worden. Die Bundeswehr beklagt 25 Tote. Die Angaben über zivile Opfer sind unterschiedlich. Auch wird zwischen Zivilopfern, die durch unmittelbare Kriegshandlungen ums Leben kamen, und denjenigen, die an den Folgen des Krieges starben, differenziert. Schätzungen für Letzteres sprechen von 20 000 bis 50 000 getöteten Zivilisten. Dagegen sollen bis zu 4000 Menschen durch die Kriegshandlungen der Besatzer gestorben sein. CKl



* Aus: Neues Deutschland, 9. Juni 2008


"Truppenabzug ist die einzige Alternative" **

Mit der Forderung, die internationalen Truppen aus Afghanistan abzuziehen, ist am Sonntag der Internationale Afghanistan-Kongress in Hannover zu Ende gegangen. Zwei Tage hatten 400 Vertreter der Friedensbewegung unter dem Motto „Dem Frieden eine Chance – Truppen raus aus Afghanistan“ über die künftigen Strategien der internationalen Friedensbewegung diskutiert.

Herausgekommen ist die Gründung eines Internationalen Afghanistan-Friedens-Netzwerks und die Ankündigung, am 20. September in Berlin und Stuttgart Großdemonstrationen gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan zu veranstalten. Zu diesem Zeitpunkt entscheidet der Bundestag über die Verlängerung des Mandats für die deutsche Beteiligung an der internationalen Afghanistan-Schutztruppe Isaf und einer Aufstockung des deutschen Truppenkontingents.

Seit sieben Jahren führen die USA und ihre Verbündeten in Afghanistan den „Krieg gegen den Terror“. Für Kongressorganisator Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag wurde bisher kein einziges Kriegsziel der Allianz erreicht. „Die Menschenrechte der Bevölkerung wurden genauso wenig verbessert, wie der internationale Terrorismus geschwächt wurde.“ Noch immer hungerten vor Ort fünf Millionen Menschen, die Infrastruktur befinde sich in einem schlechten Zustand, und der völkerrechtswidrige Krieg bedeute täglich mehr Hunger und Elend für die Zivilbevölkerung. In den meisten Regionen herrschten noch immer einheimische Kriegsherren und Drogenbarone. Gewalt, Terror und Drogenhandel prägten den Alltag.

„Man kann mit Krieg keine Menschenrechte schaffen“, sagte Strutynski. Für ihn liegen die Kriegsgründe vielmehr im Kampf um wirtschaftliche Ressourcen und in geostrategischen Überlegungen begründet. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), der nach Berichten des „Spiegels“ die Obergrenze für den Einsatz von Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan von 3500 auf 6000 Soldaten anheben möchte, sei viel mehr ein Energieminister, sagte Strutynski.

Die Abschlussdiskussion der Konferenz wurde von der Auffassung geprägt, dass das Hauptproblem für die Instabilität Afghanistans in der „Besatzung“ des Landes liege und die finanziellen Güter für den Einsatz falsch verteilt würden. Es werde neunmal so viel Geld in den militärischen Einsatz investiert als in den zivilen Aufbau des Landes. Für Reiner Braun von der Organisation Kooperation für den Frieden könne sich Afghanistan erst dann entwickeln, wenn die Truppen abgezogen sind. „Für mich zählt in erster Linie die Selbstbestimmung der Völker“, sagte Braun. Der Abzug sei die einzige Alternative.

Gestern sagten Vertreter von DGB, ver.di und IG Metall ihre Unterstützung für die Demonstrationen am 20. September zu. Für die Initiatoren gilt der Kongress in Hannover als Auftakt für eine ganze Reihe von Aktivitäten der Friedensbewegung.

** Aus: Hannoversche Allgemeine (online: HAZ.de), 8. Juni 2008

[Bei diesem Artikel handelt es sich um eine Agenturmeldung, die offenbar in anderen Zeitungen ebenfalls Verwendung fand. So fanden wir den Beitrag wortgleich z.B. auch in der Fulder Zeitung.]


Heiligendamm 2.0

Die Friedensbewegung diskutierte in Hannover Alternativen zum Afghanistan-Krieg. Spektakuläre Aktionen gegen das NATO-Militärbündnis geplant

Von Frank Brunner ***


Für James Gilligan war es ein Einsatz wie jeder andere. Im Herbst 2004 patrouillierte der damals 24jährige Feldwebel des US-Marine-Corps mit seiner Panzereinheit durch das afghanische Hinterland. Gilligans Gruppe war Teil eines Bataillons, dass die afghanische Präsidentschaftswahl im Oktober 2004 absichern sollte. Am Sonntag standen dem amerikanischen Soldaten die Tränen in den Augen, als er auf dem Kongreß in Hannover »Dem Frieden eine Chance – Truppen raus aus Afghanistan« den weiteren Verlauf seines Einsatzes schilderte: »Ich habe einen verhängnisvollen Fehler gemacht und dadurch wurde ein ganzes Dorf ausgelöscht.« Sein Team näherte sich einer Gebirgskette, als plötzlich aus einer Entfernung von sechs Kilometern mehrere Explosionen die Erde erschütterten. Gilligan erhielt den Befehl, herauszufinden, woher die Schüsse kamen. Gilligan irrte sich, ermittelte die falschen Koordinaten. »Mit insgesamt sechs Salven nahmen wir die vermeintlichen Angreifer, die wir hinter einem Hügel vermuteten, unter Trommelfeuer«, berichtete er. Zwei Tage später sahen die US-Soldaten, was sich hinter der Bergkuppe befunden hatte – eine afghanische Siedlung. »Wir sollten einfach erzählen, daß das die Taliban gewesen seien, riet uns mein Vorgesetzter«, so Gilligan zu den über 400 Teilnehmern der zweitägigen Konferenz.

Politischer Druck

Die Forderungen der Friedensbewegung nach einer Beendigung des Militäreinsatzes der NATO finden derzeit nur relativ wenig Widerhall in der Öffentlichkeit. »Zwar lehnt eine große Mehrheit der Bevölkerung die Intervention in dem zentralasiatischen Staat ab, doch gleichzeitig sind nur wenige Menschen bereit, sich gegen diesen Krieg zu engagieren«, sagte Reiner Braun, von der Gruppe »Kooperation für den Frieden« und einer der Organisatoren der Veranstaltung. Ähnlich äußerte sich Hartmut Tölle, DGB-Landesbezirksvorsitzender von Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. »Der Krieg am Hindukusch ist derzeit kein Thema, auch nicht in den Gewerkschaften, bedauerte er. Wichtig sei es, so der Gewerkschafter, daß wir mehr Menschen für die Friedensbewegung gewinnen.

Die Veranstalter, zu denen neben dem Bundesausschuß Friedensratschlag unter anderem die globalisierungskritische Bewegung ATTAC, der Landesverband Niedersachsen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen (IALANA) gehörten, planen daher eine Vielzahl spektakulärer Aktionen. So sollen am 20. September, eine Woche vor der Bundestagsabstimmung über eine Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr, in Stuttgart und Berlin zwei bundesweite Demonstrationen gegen die Mandatsverlängerung stattfinden. »Wir wollen den politischen Druck auf den Staat erhöhen«, sagte Braun. Gleichzeitig wolle man mit allen Parteien Gespräche führen. So sei in den nächsten Tagen ein Treffen mit der Bundestagsfraktion der Grünen geplant, aber auch mit Politikern von SPD und CDU bestünden Kontakte, sagte der Friedensaktivist vor Pressevertretern.

Gemeinsame Aktionen

Eng kooperiert die Friedensbewegung bereits mit der Partei Die Linke. Entsprechend positiv bewertete deren Bundestagsabgeordneter Wolfgang Gehrcke die Veranstaltung: »Der Kongreß hat mich zuversichtlich gestimmt, dass unsere Partei ein Ansprechpartner für fortschrittliche Kräfte in Afghanistan geworden ist.«

Verstärkt will die deutsche Friedensbewegung mit anderen europäischen Organisationen zusammenarbeiten. So verabredeten in Hannover Vertreter aus zwölf Ländern die Gründung eines internationalen Afghanistan-Friedensnetzwerkes und gemeinsame Aktionen (siehe Spalte und Interview). »Wir wollen die NATO delegitimieren«, kündigte Braun für den Jubiläumsgipfel des Militärbündnisses 2009 an. Neben einem alternativen Gipfel, einer Demonstration und verschiedenen Protestcamps sind auch Aktionen des zivilen Ungehorsams, etwa die Einkreisung wichtiger Gebäude, und andere spektakuläre Protestformen geplant, erklärte Braun gegenüber jW. Kontakt bestehe zum Anti-G-8-Bündnis, das vor einem Jahr in Heiligendamm demonstrierte. »Unser Widerstand gegen das NATO-Treffen soll mindestens die Dimension von damals haben«, so Braun. Der Afghanistan-Kongreß sei erst der Auftakt, meinte Ursula Schumm-Garling von der Friedens- und Zukunftswerkstatt während der Abschlußdiskussion.

Der frühere US-Soldat Gilligan zog am Sonntag nachmittag sein Resümee: Einerseits sei die europäische Friedensbewegung besser organisiert als in den USA, so der Friedensaktivist, andererseits müßten den Worten jetzt auch Taten folgen, sagte er jW.

*** Aus: junge Welt, 9. Juni 2008


"Neue europäische Friedensbewegung schaffen"

Die Ablehnung der NATO und ihres Krieges in Afghanistan wird auch in Frankreich stärker. Ein Gespräch mit Arielle Denis ***

Arielle Denis ist Vizepräsidentin der größten französischen Friedensorganisation »Mouvement de la Paix«

Frage: Sie kommen aus der Nähe von Paris. Warum besuchen Sie eine Konferenz der deutschen Friedensbewegung?

Arielle Denis: Dieser Kongreß zu Afghanistan ist sehr wichtig. Ich glaube, daß wir hier die Möglichkeit haben, eine neue, europäische Bewegung zu schaffen. Es geht darum, daß wir Argumente und Ideen austauschen und klare Ziele formulieren. Ein erstes Ergebnis ist das gemeinsame Papier von »Mouvement de la Paix« und dem deutschen Bundesausschuß Friedensratschlag zum NATO-Jubiläumsgipfel 2009 in Kehl und Strasbourg, das wir am Samstag verabschiedet haben.

Was ist als nächstes geplant?

Die nächste wichtige Etappe ist das Europäische Sozialforum im schwedischen Malmö, das vom 18. bis 21. September dieses Jahres stattfindet. Dort soll die bisherige Zusammenarbeit der europäi­schen Friedensbewegung fortgesetzt werden.

Welche Ziele verfolgt »Mouvement de la Paix«?

Unsere Organisation gibt es seit 1949. Wir haben zirka 6000 Mitglieder, die in insgesamt 150 lokalen Aktionskomitees organisiert sind. Ziel ist es, vor Ort eine Friedenskultur zu schaffen. Beispielsweise haben wir vor den Kommunalwahlen in Frankreich im März 2008 an alle Kandidaten Briefe verschickt, in denen wir sie auf das Netzwerk »Bürgermeister für den Frieden« hingewiesen haben, das auf eine Initiative des Oberhauptes der japanischen Stadt Hiroschima zurückgeht. Zentraler Punkt dieser Aktion ist die Forderung nach Abschaffung aller Atomwaffen bis zum Jahre 2020. Wir thematisieren aber auch den französischen Einsatz in Afghanistan.

Wie beurteilen Sie die Afghanistan-Politik Ihrer Regierung?

Präsident Nikolas Sarkozy hat im Wahlkampf nicht viel über die internationale Politik gesprochen. In Frankreich gibt es ein Sprichwort: Mit internationalen Problemen kann man keine Wahl gewinnen, man kann mit ihnen nur verlieren. Allerdings hat Sarkozy damals gesagt, daß er die französischen Truppen aus Afghanistan zurückholen will. Am 14. Juli 2007, dem französischen Nationalfeiertag, hat Sarkozy seine erste Rede zur Außenpolitik gehalten. Von Rückzug sagte er plötzlich nichts mehr. Im Gegenteil. Er sprach von Solidarität mit der »transatlantischen Familie«. Im März 2008 verkündete er dann, daß sich Frankreich wieder enger an die NATO binden werde und 700 französische Soldaten am Krieg im Hindukusch teilnehmen sollen.

Wir wurde dieser radikale Politikwechsel in der Bevölkerung aufgenommen?

Mehrheitlich mit Ablehnung. Mehr als 68 Prozent der Franzosen sind gegen Sarkozys Vorhaben, wieder in die militärischen Strukturen der NATO einzutreten. Die Frage, die wir uns stellen, ist, wie man die Bevölkerung motivieren kann, sich gegen diese neue Nähe zur NATO zu engagieren.

Und wie kann man die Menschen gegen diese Politik mobilisieren?

Gute Frage. (lacht) Wir müssen als Friedensbewegung den Dialog mit der Bevölkerung suchen. Wir werden in Frankreich Petitionen organisieren und uns auch Verbündete außerhalb des Landes suchen. Ab 1. Juli übernimmt Frankreich die EU-Ratspräsidentschaft. Das ist eine gute Möglichkeit, auf Sarkozys kritiklosen Proamerikanismus hinzuweisen. Am 11. Juni organisieren wir im Vorfeld der offiziellen Afghanistan-Konferenz, die in Paris stattfindet, eine Gegenveranstaltung unter dem Motto: »Ja zur Solidarität, aber nein zum Krieg«.

Haben Sie denn Hoffnung, daß solche Aktionen etwas bewirken?

Ja. In Europa gibt es derzeit eine erhöhte Sensibilität für das Thema Krieg. Das hat unter anderem etwas mit dem von den USA geplanten Raketenschutzschild in Tschechien und Polen zu tun. Ich wünsche mir aber auch, daß die Presse bestimmte Wahrheiten, etwa über Afghanistan, nicht länger verschweigt. Mein Engagement für die Friedensbewegung resultiert beispielsweise aus den Bildern, die ich als junger Mensch über den Krieg der US-Amerikaner in Vietnam gesehen habe.

Interview: Johanna Baumann, Frank Brunner

*** Aus: junge Welt, 9. Juni 2008

Hier geht es zur gemeinsamen deutsch-französischen Erklärung zum NATO-Gipfel 2009:
"60 Jahre NATO sind 60 Jahre zuviel" / "Les 60 ans de l'OTAN sont 60 ans de trop"
Deutsch-französische Erklärung zur Vorbereitung eines Gegengipfels der Friedensbewegung / Déclaration commune pour la préparation d'un contre-sommet du mouvement de la paix (pdf-Dokument)


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