Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Afghanistan-Krieg: Friedensbewegung ging auf die Straße

Aktionen in mindestens 30 Städten / Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag

Am 9. September fanden - weitgehend unbemerkt von den überregionalen Medien - in zahlreichen Städten Aktionen der Friedensbewegung gegen den Afghanistankrieg statt. Der Bundesausschuss Friedensratschlag gab dazu noch am selben Tag eine Mitteilung heraus, die wir im Folgenden dokumentieren.



Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag

  • Aktionen in mindestens 30 Städten
  • Nicht nur Jung muss zurücktreten: Die Verantwortung für den Afghanistankrieg trägt die ganze Bundesregierung
  • Friedensbewegung mischt sich in Wahlkampf ein
Kassel, Berlin, Hamburg, Frankfurt, 9. September - Zu den Aktivitäten der Friedensbewegung anlässlich des jüngsten Kriegsgeschehens in Afghanistan erklärte ein Sprecher des Friedensratschlags heute (9. Sept.) in Kassel:

Vor zwei Tagen hat der Bundesausschuss Friedensratschlag, ein Bündnis zahlreicher Friedensinitiativen, zu spontanen Aktionen gegen den Afghanistankrieg und für den Abzug der Bundeswehr aufgerufen. Schwerpunkt der Aktionen ist der Mittwoch. Allein an diesem Tag werden in ca. 30 Städten Mahnwachen, Infostände und Kundgebungen stattfinden, so z.B. in Berlin, Frankfurt, Hamburg, Kassel, München und Stuttgart. (Ein Überblick über die uns bekannt gemachten Aktionen befindet sich im Anhang unten.)

Die Friedensbewegung will mit ihren Aktionen nicht nur die jüngsten Bombenangriffe auf zwei Tanklastwagen in der Nähe von Kundus anprangern, bei denen mutmaßlich zahlreiche Zivilpersonen getötet wurden. Solche "Vorfälle" sind seit Monaten auf der Tagesordnung, sodass selbst der vom Westen im Amt gehaltene afghanische Präsident mehrfach die NATO gebeten hat, ihre Kriegführung zu ändern und Zivilisten möglichst zu schonen. Es geht um den Krieg insgesamt: Er ist völkerrechtswidrig und die Kriegführung verstößt gegen die Genfer Konventionen, weil sie unterschiedslos Kombattanten und Zivilpersonen tötet - nicht nur in Afghanistan, sondern immer öfter auch in den angrenzenden Gebieten von Pakistan.

Die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin war geheuchelt. Wenn es Frau Merkel wirklich ernst damit ist, dass jeder Tote ein Toter zuviel ist, dann muss der Bundeswehreinsatz sofort beendet und müssen die Soldaten samt Waffen aus Afghanistan zurückgezogen werden. Die Präsenz der Besatzungstruppen sorgen ja nicht für mehr Stabilität im Land, sondern befördern im Gegenteil die weitere Eskalation der Gewalt. Ein ziviler Aufbau des von 30 Jahren Krieg und Bürgerkrieg geschundenen Landes kann nur gelingen, wenn die Besatzungtruppen abziehen und die zivile Hilfe massiv aufgestockt wird. Beides gleichzeitig, zivil helfen und Krieg führen, geht nicht. Auch die Hilfsorganisationen plädieren seit Jahren dafür, dass sie ihre Arbeit unabhängig vom Militär machen können.

Auch die "scharfe Kritik" der GRÜNEN und der SPD an Verteidigungsminister Jung in der gestrigen Bundestagsdebatte geht am eigentlichen Problem vorbei. Jung ist in deren Augen untragbar geworden, weil er den Krieg in Afghanistan an der "Heimatfront" schlecht kommunziert habe. Die Friedensbewegung sagt: Er ist ebenso untragbar wie das ganze Kabinett und die Fraktionen, die den unheilvollen Krieg am Hindukusch seit acht Jahren zu verantworten haben. Es kann auch nicht darum gehen, den Krieg "besser" zu machen, sondern nur darum, den Krieg zu beenden.

FDP-Chef Westerwelle gefiel sich in der Bundestagsdebatte gar in einer Kaiser-Wilhelm-Pose, als er erklärte: "Hier geht es nicht um Parteien, hier geht es um unser Land; das ist es, worüber wir in dieser Stunde debattieren sollten." Zu Beginn des 1. Weltkriegs, als auch die sozialdemokratischen Abgeordneten den kriegskrediten zugestimmt hatten, rief Kaiser Wilhelm II aus: "Ich kenne keine Parteien mehr, kenne nur noch Deutsche".

Der "Friedensratschlag" wird zusammen mit vielen anderen Friedensorganisationen seine Anstrengungen verstärken, Druck auf diese und die nächste Bundesregierung auszuüben, damit endlich dem Mehrheitswillen der Bevölkerung entsprochen wird. Nach jüngsten Umfragen bleibt die Ablehnung des Krieges bei stabilen 60 bis 70 Prozent. Deshalb war die Vierparteienkoalition vor einem Jahr darauf bedacht, das Einsatzmandat auf 15 Monate auszudehnen: Afghanistan sollte aus dem Wahlkampf herausgehalten werden. Die schrecklichen Ereignisse vom 4. September wollten es anders.

Die Friedensbewegung mischt sich in den Bundestagswahlkampf mit einem eigenen Afghanistan-Prüfstein ein. Das bundesweit verteilte Flugblatt kann hier heruntergeladen werden:
Die Wähler/innen sollen ihre Kandidatinnen und Kandidaten sehr genau prüfen, wie sie zum Bundeswehreinsatz stehen. Das Ziel der Friedensbewegung ist es, die Zahl der Abgeordneten aller Fraktionen, die NEIN sagen zum Krieg, beträchtlich zu erhöhen.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)


Anhang: Gemeldete Aktionen (Stand: 9. September, 10 Uhr)

  • Berlin, Brandenburger Tor, 18 Uhr: Mahnwache
  • Bonn, Friedensplatz, 17 Uhr: Infostand mit Redebeiträgen
  • Bremen, Marktplatz, 17 Uhr: Mahnwache
  • Castrop-Rauxel, 12.09.: Infostand
  • Erfurt, 18.09.: Demonstration
  • Erlangen: Hugenottenplatz, Mahnwache für Afghanistan
  • Ettlingen: 17 Uhr, Marktplatz: Mahnwache und Infostand
  • Frankenberg (Sachsen), Vor der Wettiner Kaserne, 16 Uhr: Mahnwache und Kundgebung
  • Frankfurt am Main, Katharinenkirche, Hauptwache, 18 Uhr: Mahnwache und Kundgebung
  • Gotha: Mahnwache
  • Hamburg, Ida-Ehre-Platz, Mönckebergstraße, ab 17.30 Uhr: Kundgebung
  • Heilbronn, Kiliansplatz, ab 17.30 Uhr: Mahnwache
  • Hildburghausen: Donnerstag, 10.09.2009, Podiumsdiskussion "Die NATO und der Krieg in Afghanistan"
  • Karlsruhe, Marktplatz, 16-18 Uhr: Mahnwache
  • Kassel, Opernplatz, 17 Uhr: Kundgebung
  • Mainz, Leichhof, 16--20 Uhr: Kundgebung
  • Michelstadt, 08.09, 16.30 Uhr, Bahnhofstr./Ecke Wiesenweg: Mahnwache
  • München, Odeonplatz, 17.30 Uhr: Kundgebung
  • Oldenburg, Brunneneck (Ecke Achternstr./Langestr.), 15 Uhr: Mahnwache
  • Paderborn, Rathausplatz, 18 Uhr, Mahnwache und Kundgebung
  • Saabrücken, Bahnhofstr., 10.30-14.30 Uhr: Infostand
  • Stuttgart: Schlossplatz, 17.30 Uhr: Mahnwache und Kundgebung
  • Wiesbaden, 11.09.2009, 17-19 Uhr, Mauritiusplatz: Mahnwache



Zurück zum Dossier "Bundeswehr raus aus Afghanistan!"

Zur Seite "Friedensbewegung"

Zur Presse-Seite

Zur Afghanistan-Seite

Zur Bundeswehr-Seite

Zurück zur Homepage