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Friedensbewegung zieht positive Bilanz der Ostermärsche

Im Wortlaut: Pressemitteilungen des Bundesausschusses Friedensratschlag, des Ostermarschbüros Frankfurt a.M. und des Netzwerks Friedenskooperative in Bonn


Überzeugende Ostermärsche bei Frost, Schnee und Regen

Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag zum Abschluss der Ostermärsche
  • Teilnehmerzahlen leicht gestiegen
  • Nein zu Kriegseinsätzen
  • Afghanistan, Irak und Nahostkonflikt die bevorzugten Themen
Kassel, 24. März 2008 - Kurz vor Abschluss der diesjährigen Ostermärsche zieht der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag eine insgesamt positive Bilanz. In einer Stellungnahme aus Kassel heißt es:

Durchgefroren, aber guten Muts. So etwa fühlen sich die Friedensaktivistinnen und -aktivisten, welche die rund 90 Ostermärsche in allen Teilen des Landes organisiert und durchgeführt haben. Auch wenn man das Wetter nicht immer auf seiner Seite hatte: Der Zuspruch zu den Friedensdemonstrationen war eher größer als im vergangenen Jahr. Ein aufmunterndes Ergebnis, wenn man an die bevorstehenden Herausforderungen der Friedensbewegung denkt.

Die Ostermärsche waren von drei zentralen Themen beherrscht: Den Kriegen in Afghanistan und im Irak sowie der fortdauernden Eskalation des israelisch-palästinensischen Konflikts. Zu Afghanistan hatte die Friedensbewegung schon im Vorfeld ihre Positionen klar formuliert: Eine Chance für eine Beendigung des Krieges könne es nur geben, wenn die Besatzungstruppen einschließlich der Bundeswehr das Land verlassen. Das krasse Missverhältnis zwischen den Ausgaben für das Militär und den Ausgaben für den zivilen Aufbau (Relation etwa 10 zu 1) müsse umgekehrt werden. Andernfalls drohe eine weitere Irakisierung der Kämpfe. Sollte die Bundesregierung ihr Vorhaben in die Tat umsetzen und zusätzliche Kampftruppen nach Afghanistan entsenden, dann drohe Deutschland über kurz oder lang sein eigenes Vietnam. Viele Ostermarschteilnehmer/innen nutzten die Gelegenheit und unterschrieben eine Petition der Friedensbewegung, in der die Bundestagsabgeordneten aufgefordert werden, einer Verlängerung oder Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan nicht mehr zuzustimmen.

Fünf Jahre nach dem Einmarsch in den Irak stellt sich auch dort die Situation für die Besatzungsmächte desaströs dar. Die Friedensbewegung erinnerte in zahlreichen Ostermarsch-Aufrufen und Reden an die Tatsache, dass die Bundesregierung, obwohl nicht direkt am Krieg beteiligt, den völkerrechtswidrigen Krieg der USA, Großbritanniens und anderer Alliierter dadurch unterstützt und fördert, dass den US-Streitkräften unwidersprochen Militärbasen in Deutschland zur Verfügung stünden, von denen aus die tödliche Fracht in den Irak transportiert würde. Berlin müsse den Luftraum für solche Militäroperationen sperren und könne dies auch. Das grundgesetzliche Verbot der Beihilfe zu einem Angriffskrieg gebiete dies sogar.

Nach Überzeugung des "Friedensratschlags" hat der Irakkrieg die Lage im gesamten Nahen Osten weiter destabilisiert. Dies bekämen nicht zuletzt die Palästinenser zu spüren, denen seit Jahren die Gründung eines lebensfähigen Staates an der Seite Israels verwehrt wird. 60 Jahre Israel zu feiern - wie das die Bundeskanzlerin vor wenigen Tagen getan hat -, ist daher nur die halbe Wahrheit. Wer dabei das Schicksal der Palästinenser vergisst, macht sich zum Verbündeten der einen Seite und faktisch zum Gegner der anderen Seite. Einen Friedensprozess kann es im Nahen Osten aber nur geben, wenn alle Konfliktparteien gleichberechtigt daran beteiligt werden. Auch der Terrorismus der einen Seite wird nur aufhören, wenn der (Staats-)Terrorismus der anderen Seite ebenfalls aufhört. Der Bundeskanzlerin wurde zugerufen: "Menschenrechte sind unteilbar. Nicht nur in Tibet, sondern auch im Nahen Osten!"

Selbstverständlich ist der Umfang der bei den Ostermärschen angesprochenen Themen und Probleme damit längst nicht erschöpft. Die Friedensbewegung lebt schließlich auch von ihrer Vielfalt. Und die Ostermärsche waren immer auch eine Gelegenheit, die ganze Bandbreite der friedenspolitischen Themen darzustellen. So wurde etwa die Militarisierung der Europäischen Union genauso verurteilt wie die Umwandlung der NATO von einem Verteidigungspakt in ein weltweit einsetzbares Interventionsbündnis. Vielerorts, vor allem in den großen Städten, spielte die Kurdenfrage eine große Rolle und häufig wurde auf die anhaltende Gefahr einer Aggression gegen den Iran hingewiesen. An vielen Orten war auch der Versuch spürbar, an die Kämpfe und Forderungen der sozialen Bewegungen und der Gewerkschaften anzuknüpfen. Kritik an den steigenden Rüstungs- und Militärausgaben (weltweit aber auch in Deutschland) mündet in die griffige Forderung: "Abrüstung statt Sozialabbau!".

Der breite Protest in Fretzdorf um die Verhinderung des "Bombodroms" - auch in diesem Jahr wieder der größte Ostermarsch - ist das hervorstechende Beispiel für die Praxis der Friedensbewegung, vor den Einrichtungen zur täglichen Kriegsvorbereitung (z.B. US-Stützpunkte in Ramstein, Grafenwöhr oder Katterbach) zu demonstrieren. Erstmals war z.B. dieses Jahr der Truppenübungsplatz Ohrdruf in Thüringen Ziel einer Osterdemonstration.

Die Friedensbewegung hat mit den Ostermärschen ihre Wetterresistenz, ihre Vielfalt und ihren Elan unter Beweis gestellt.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)


Ostermärsche: Mehrheit der Bevölkerung ist auf unserer Seite

Pressemitteilung des Ostermarschbüros

Mehrere Zehntausend Menschen beteiligten sich in mehr als 70 Städten an den traditionellen Ostermärschen der Friedensbewegung. Trotz widriger Wetterverhältnisse zeigten sich die Organisatoren der örtlichen und regionalen Friedensinitiativen mit der gegenüber dem Vorjahr leicht angewachsenen Beteiligung und der politischen Eindeutigkeit bei bunter Vielfalt zufrieden.

Den Initiativen gelang es, während der Ostertage ihre friedenspolitischen Alternativen in die Öffentlichkeit zu tragen. Dem Kurs der Bundesregierung, die ihre Politik mit Krieg und Zerstörung durchsetzen will, setzte der Ostermarsch klare Signale für eine andere Politik entgegen. Zurückgewiesen wurde die geplante Verlängerung und Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Frieden, so hieß es, ist die Voraussetzung für eine souveräne Demokratie in Afghanistan. Humanitäre Hilfsorganisationen berichteten, dass Hilfe dort am besten geleistet werden kann, wo kein Militär vorhanden ist.

Die Ostermarschierer mahnten die Abgeordneten, mehr Geld für den friedlichen Aufbau in Afghanistan als für Krieg auszugeben. Menschenrechte lassen sich nur mit friedlichen Mitteln durchsetzen, wie das massenhafte Sterben im sog. Anti-Terror-Krieg zeigt. In Afghanistan hungern 70% der Menschen, ein Viertel hat keinen Zugang zu Trinkwasser, nur 10% haben elektrischen Strom.

Die Demonstranten wandten sich gegen die immer tiefere Verstrickung der Bundeswehr in weltweite Kriege und die deutsche logistische Unterstützung für den US-Krieg im Irak. Gerade das Beispiel Irak zeige täglich, dass mit Krieg kein Frieden zu schaffen und mit militärischen Mitteln kein Terror zu besiegen ist. Krieg ist vielmehr die Ursache für sich steigernde Gewalt in der Welt.

Kritisiert wurde der Einsatz der Bundeswehr im Inneren, wie insbesondere beim G8-Gipfel in Heiligendamm geschehen. Verlangt wurde die Auflösung der Reservistenkommandos, die seit Juli 2007 in allen Landratsämtern und kreisfreien Städten zum angeblichen Schutz der Bevölkerung und der lebenswichtigen Infrastruktur aufgestellt wurden. Verlangt wurde die Abschaffung aller Atomwaffen, insbesondere die in unserem Land lagernden und ein Verbot des Rüstungsexports. Vorgeschlagen wurden wirksame Instrumente zur zivilen Konfliktlösung. Gefordert wurde eine politische Lösung wie eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten sowie eine Nichtangriffsgarantie der USA für den Iran.

Die Demonstranten verlangten von der Bundesregierung Rüstungsmilliarden zivilen Projekten zuzuführen. Spart endlich an der Rüstung, hieß es immer wieder. Der Auslandseinsatz der Bundeswehr mit 7.800 Soldaten in 12 Ländern verschlinge jährlich 1.4 Milliarden Euro, während in Deutschland jedes sechste Kind arm ist.

Der Sprecher der bundesweiten Infostelle Ostermarsch 2008, Willi van Ooyen, verwies auf die Verantwortung der Friedensbewegung für die Ausweitung der pazifistischen und antimilitaristischen Meinungsmehrheit.



Lebendige Tradition Ostermärsche – Positive Bilanz

An die Presse 24. März 2008

Raus aus der militärischen Sackgasse!
Ostermärsche ermutigend für weitere Friedenskampagnen
Verlängerung des Bundeswehr-Mandats soll im Herbst verhindert werden

Das Netzwerk Friedenskooperative zieht eine positive Bilanz der diesjährigen Ostermärsche. Nach 50 Jahren zeigten sich die Proteste gegen Kriegseinsätze und militärisches Denken als äußerst lebendige – und notwendige – Tradition.

Die Friedenskooperative hebt hervor, dass die Friedensbewegung viele konkrete Vorschläge für politische Initiativen und zivile Konfliktbearbeitung macht, während der "Krieg gegen Terror" mit hunderttausenden Opfern nur in militärische Sackgassen geführt habe, u.a. im Irak, Afghanistan und dem Nahen Osten.
Thema über Ostern waren auch Atomwaffen, die Militarisierung im Innern, Sicherheitsgesetze sowie die Repression in Tibet und der türkisch-kurdische Konflikt

An mehr als 80 Veranstaltungen der Ostermärsche haben sich bei zum Teil widrigen Wetterbedingungen mehrere zehntausend Menschen beteiligt, darunter viele Christen, Gewerkschafter, Menschenrechtler und Globalisierungskritiker, aber auch Mitglieder der SPD, der Grünen und insbesondere der Linken, beim "Bombodrom" in Brandenburg sogar Landespolitiker der CDU. Die Mitwirkung der "Basis" der Bundestagsparteien werde auch gebraucht, wenn die Friedensbewegung alternativen Vorschlägen im Bundestag Gehör verschaffen wolle, betont die Friedenskooperative. Dafür sei der überparteiliche Charakter der Friedensbewegung wichtig, das Einmischen vieler Menschen in eine "Politik von unten", die die wichtigen Fragen von Krieg und Frieden nicht allein den Politikern überlassen will.

Eine nochmalige Verlängerung des Afghanistan-Mandats der Bundeswehr soll im kommenden Herbst verhindert werden. Dazu wurde bei den Ostermärschen eine neue Petition an die Abgeordneten des Bundestages gestartet. "Das Märchen einer konstruktiven Aufbaurolle der Bundeswehr im Norden Afghanistans wird durch ständige Wiederholung nicht wahrer", betont Netzwerk-Geschäftsführer Manfred Stenner. Die Einheiten seien ohnehin zu mehr als 80 Prozent mit dem eigenen Schutz beschäftigt und für Hilfsorganisationen biete die Akzeptanz vor Ort mehr Schutz als das Geleit durch eine zunehmend als Besatzung empfundene Truppe. Dies werde sich mit der für den Sommer geplanten deutschen Kampfeinheit "Quick Reaction Force" noch verstärken. Gefordert wird stattdessen eine Exit-Strategie und die Umwidmung der jährlichen Einsatzkosten von mehr als 500 Millionen Euro für zivile Aufbauprojekte in enger Abstimmung mit der örtlichen Bevölkerung.

Das Friedensnetzwerk kündigt die Fortsetzung von Kampagnen zu weiteren Themen an, die bei den Ostermärschen ebenfalls eine gro+e Rolle spielten. Friedensorganisationen wollen die Ächtung und Abschaffung aller Atomwaffen bis zum Jahr 2020, die sofortige Schließung des US-Atomwaffenlagers im Fliegerhorst Büchel (s.a. www.atomwaffenfrei.de) und ein Verbot der noch weit nach den Kriegshandlungen Tod bringenden Splitterbomben, Urangeschosse und Landminen. Das NATO-Bündnis insgesamt hatten europäische Aktivisten unter dem Slogan "Nato game over" mit einer beeindruckenden Aktion an der Brüsseler Zentrale in Frage gestellt und dabei ihre Festnahme in Kauf genommen.

Eine Voraussetzung für die Verhinderung künftiger Kriege um Öl und Gas sei eine radikale Umsteuerung der Energie- und Rohstoffwirtschaft hin zu erneuerbaren Energien und Einspartechniken. Hier gebe es eine enge Zusammenarbeit mit Umweltschutzgruppen und der globalisierungskritischen Bewegung: "Klimapolitik ist Friedenspolitik!"

Weiter propagiert werden Vorschläge für Zivile Konfliktbearbeitung im Nahen und Mittleren Osten, insbesondere die Einrichtung einer "Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen und Mittleren Osten" nach dem Vorbild der ehemaligen KSZE. Dort müssten gerade auch die bisher von westlicher Politik ausgegrenzten Konfliktparteien und Staaten der Region wie Hamas, Hisbollah, Syrien und Iran beteiligt sein.
Als absolut fatal bezeichnet die Friedenskooperative die israelische Ankündigung, die Friedensverhandlungen im Fall einer palästinensischen Einheitsregierung von Hamas und Fatah zu beenden. Europa und die USA müssten die israelische Regierung hier zu Vernunft bringen.

Der Ostermarsch Ruhr wird übrigens am Dienstag mit einer Ehrung des "Friedensbewegung-Urgesteins" und "Seele des Ruhr-Ostermarsches" Willi Hoffmeister zum 75jährigen Geburtstag fortgesetzt. Die Friedenskooperative gratuliert dazu.

Manfred Stenner
Geschäftsführer des Netzwerk Friedenskooperative


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