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"Wir streiten für eine friedliche Welt"

Von Nele Hirsch, MdB *

Im Rahmen unserer Berichterstattung über ausgewählte Aspekte der Ostermarschbewegung 2007 dokumentieren wir im Folgenden eine Rede, die am 9. April beim Ostermarsch in Kassel gehalten wurde.

Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Genossinnen und Genossen,

herzlichen Dank für Eure Einladung, zum Abschluss des heutigen Friedensmarsches bei Euch zu sprechen. Ich freue mich, dass so viele Menschen zusammen gekommen sind, um gemeinsam ein Zeichen gegen Krieg und Militarismus zu setzen. Wir sind in Kassel dabei nicht allein: Ich kann Euch die Grüße aus meinem Wahlkreis - aus Gotha - überbringen, wo wir am Samstag ebenfalls für den Frieden demonstriert haben. Und Gleiches haben Tausende von Menschen in den letzten Tagen in vielen weiteren Städten getan.

Einige Politikerinnen und Politiker haben im Vorfeld der Ostertage gesagt, was sie von dieser Tradition der Ostermärsche und unseren Forderungen halten. Wir mussten etwa von den Grünen lesen, dass sie die "pauschale Ablehnung von Krieg wenig hilfreich finden" und sich von der Friedensbewegung eine "differenziertere Auseinandersetzung zu Militäreinsätzen" wünschen. Genau so ein Rumlavieren hören wir als Linke auch im Bundestag auch immer wieder, wenn wir – fast immer als einzige - gegen geplante Bundeswehreinsätze und gegen eine weitere Aufrüstung sprechen. Uns ist längst klar geworden, was mit der Forderung nach einer "differenzierteren Auseinandersetzung" wirklich gemeint ist: Wir sollen mit einstimmen, in den Chor der Kriegstreiberinnen und Kriegstreiber, die uns weismachen wollen, mit Krieg und Gewalt ließe sich eine friedliche Entwicklung erreichen. Doch dazu sagen wir Nein!

Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, dass die Bilder von den Soldaten, die mit Totenköpfen vor der Kamera posierten in den Medien waren. Damals waren alle schockiert. Inzwischen ist das schon fast wieder vergessen. Diejenigen, die heute eine "differenziertere Auseinandersetzung" von uns fordern, hätten sich diese Bilder besser einmal genauer angesehen. Diese Bilder zeigen, zu was Krieg führt: zu Entmenschlichung, zu Verrohung - aber ganz bestimmt nicht zu Frieden. Wir als Friedensbewegung sagen deshalb ohne wenn und aber: Wir bleiben bei unserem klaren Nein zu Krieg und Militarismus!

Unser Nein zu Krieg und Militarismus beinhaltet viele Forderungen: Erstens ist es ein Nein zu Kriegseinsätzen. Afghanistan, Kongo, Libanon, Sudan - in der kurzen Zeit in der ich im Bundestag bin, hat das Parlament schon über so viele Einsätze der Bundeswehr entschieden, dass man dabei fast schon den Überblick verliert. Begründet werden die Einsätze mit einem bunten Sammelsurium an Motiven: Deutschland müsse seine Verantwortung in der Welt wahrnehmen, es gehe um Menschenrechte, um Frieden und um Freiheit! Liebe Freundinnen und Freunde, was ist das für ein Verständnis von Frieden und von Freiheit? Wir halten es für Heuchelei, von Frieden und von Freiheit zu sprechen, wenn Kriege für die große Mehrheit der Menschen Gewalt und Elend bedeuten. Frieden und Freiheit sind das ganz bestimmt nicht. Wir aber wollen Frieden. Deshalb sind wir konsequent gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr! Und aktuell zu Afghanistan sagen wir: Truppenabzug statt Tornados!

Mit unserem Nein zu Krieg und Militarismus fordern wir zweitens Abrüstung. Der Außenminister hat zu Beginn seiner Amtszeit versprochen, dass Abrüstung jetzt auf die Tagesordnung kommt. Inzwischen wissen wir: das war eine Lüge! Anstatt abzurüsten hat die Bundesregierung ein Weißbuch vorgelegt, in dem das Gegenteil drinsteht: Die Militarisierung soll weiter gehen und auf immer weitere Bereiche ausgedehnt werden. Das kostet natürlich einiges an Geld. So ist es nur logisch, dass der Militärhaushalt jedes Jahr weiter ansteigt. Frau Merkel reicht das aber immer noch nicht aus. Sie hat schon angekündigt, dass man in der Koalition noch einmal über eine weitere Erhöhung sprechen müsse.

Gleichzeitig fehlt das Geld in so vielen anderen Bereichen. Ein Beispiel: Ich bin bildungspolitische Sprecherin meiner Fraktion und in dieser Funktion habe ich in den letzten Monaten zum BAföG gearbeitet. Wenn man mehr jungen Menschen, den Zugang an die Hochschulen ermöglichen will, dann müssten die BAföG-Sätze dringend angehoben werden. Das geht aber nicht - sagt die Bundesregierung - dazu ist kein Geld da. Und weil angeblich kein Geld da ist, werden nicht nur die BAföG-Sätze nicht erhöht; dazu noch werden Studiengebühren eingeführt und Mittel für die Hochschulen immer weiter zusammengestrichen. Gerade kritische Wissenschaften oder auch die Friedenswissenschaften fallen dem Rotstift zu Opfer.

Liebe Freundinnen und Freunde, welch ein Irrsinn! Wie erreicht man denn besser eine friedliche Entwicklung: Indem man Bomben baut oder indem man Menschen die Möglichkeit gibt, Denken zu lernen und Nein zu sagen, dass Krieg wieder ein legitimes Mittel der Politik wird? Indem man darauf hinarbeitet, friedliche Konfliktlösungsmöglichkeiten zu erarbeiten? Auch bei der Frage der Abrüstung werden wir deshalb nicht abrücken von unseren Forderungen; wir werden nicht "rumdifferenzieren", wie es sich die herrschende Politik von uns wünscht: Wir sagen ganz klar: Wir wollen Abrüstung statt Sozialabbau!

Nein zu Krieg und Militarismus heißt auch eine andere internationale Politik. Im Bündnis von NATO und EU verspricht die Bundesregierung uns Sicherheit. Aber in Wirklichkeit ist das alles andere als Sicherheit. Ihre Politik der Aufrüstung, der Militarisierung der Kriege führt zu Unsicherheit für die meisten Menschen. Das wollen wir nicht! Wir wollen keine EU-Verfassung, die die Militarisierung der Europäischen Union festschreibt. Deshalb: Nein zu dieser EU-Verfassung! Und wir sind gegen die NATO. Auflösung ist das Beste, was man mit diesem Bündnis machen kann!

Wir sind auch gegen die zunehmende Militarisierung der Innenpolitik. Wie die sich gestaltet, das sieht man zurzeit in Heiligendamm: Um den geplanten Tagungsort, in dem sich im Juni die Führungschefs der G8-Staaten versammeln wollen, wird ein Sicherheitszaun gebaut und die Bundesregierung bereitet sich nach eigenen Angaben auf "den größten Polizeieinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik" vor. Davon lassen wir uns aber nicht abschrecken. Genau so wie wir heute hier in Kassel und in vielen anderen Städten demonstrieren, genauso werden wir auch im Juni in Heiligendamm demonstrieren. Ich hoffe, dass ich viele von Euch dort wieder sehen werde.

Liebe Freundinnen und Freunde, gerade bei den G8 wird klar, was der Kern der Kriege und der Militarisierung ist: Die G8 wollen eine Gesellschaftsordnung absichern, die Reiche immer reicher und Arme immer ärmer macht. Eine Gesellschaftsordnung, die Ausgrenzung, Elend und Krieg produziert. Diese Gesellschaftsordnung wollen wir nicht.

Vor 100 Jahren schrieb Liebknecht seine Schrift "Militarismus und Antimilitarismus". Darin heißt es: "Wir sind Antimilitaristen als Antikapitalisten". Dem muss man zustimmen: Militarismus und Krieg lassen sich immer auf eine kapitalistische Logik zurückführen. Deshalb sagen wir Nein zum Krieg und Nein zum Kapitalismus! Wir streiten für eine friedliche Welt!

Vielen Dank!

* Nele Hirsch, 27 Jahre jung, Abitur 1999 in Balingen; ab Wintersemester 1999/00 Studium an der Friedrich Schiller Universität in Jena (Politikwissenschaft, Interkulturelle Wirtschaftskommunikation, Islamwissenschaft). Ablegung der Magisterzwischenprüfung und des Großen Arabicums, ab Wintersemester 2001/02 Auslandsstudium an der Kansai Gaidai Universität in Osaka (Japan) mit dem Abschluss in Asian Studies. Weitere Auslandswochen in Beijing (China) und Damaskus (Syrien); ab Oktober 2003: Vorstandstätigkeit im bundesweiten Studierendendachverband "freier zusammenschluss von studentInnenschaften" (fzs) (bis August 2005). Seit 2005 Mitglied im Bundestag (Fraktion DIE LINKE)


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