Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Die politischen Grundsätze der Bundesregierung zum Rüstungsexport 1971

Die Diskussion um die neuen Richtlinien der Bundesregierung zum Rüstungsexport vergisst, dass die Bundesrepublik früher schon einmal weiter war in der "restriktiven" Handhabung des Rüstungsexports, wie folgender Beschluss der Regierung Brandt aus dem Jahr 1971 beweist. Wir dokumentieren den Wortlaut.
Allerdings muss dazu gesagt werden, dass die Praxis der Rüstungsexportgenehmigungen in den 70er Jahren die Absicht dieses Beschlusses (der damals übrigens nicht veröffentlicht worden war) bald desavouierte. Jede Menge Länder in "Spannungsgebieten" erhielten Kriegswaffen (z.B. Kriegsschiffe), auch bei Exporten in die armen Länder der Dritten Welt war die Bundesregierung nicht zimperlich. Drittländer-Exporte aus deutsch-französischen Koproduktionen wurden von der Anwendung der Grundsätze von 1971 ausgenommen. Folgerichtig wurden 1982 - noch unter der Regierung Schmidt - neue Grundsätze zum Rüstungsexport verabschiedet, die der seitherigen Praxis Rechnung trugen. 1983 wurde eine Reihe von Ländern in Bezug auf die Rüstungsexporte den NATO-Staaten gleichgestellt, u.a. galt nun, dass Waffenexporte grundsätzlich ohne Beschränkung auch in OECD-Staaten und in ASEAN-Staaten geliefert werden können (ASEAN umfasste damals die folgenden Länder: Indonesien, Singapur, Malaysia, Brunei, Thailand, Philippinen).



Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern (16. Juni 1971)

In dem Bestreben
im Rahmen der internationalen und gesetzlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland den Export von Rüstungsgütern am Sicherheitsbedürfnis und außenpolitischen Interesse der Bundesrepublik Deutschland zu orientieren,
durch seine Begrenzung und Kontrolle einen Beitrag zur Sicherung des Friedens in der Welt zu leisten und dementsprechend auch auf Beschlüsse internationaler Institutionen grundsätzlich Rücksicht zu nehmen, die eine Beschränkung des internationalen Waffenhandels unter Abrüstungsgesichtspunkten anstreben,
hat die Bundesregierung folgende Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern beschlossen:

I. NATO-Länder (Geltungsbereich des NATO-Vertrags, Artikel 6)
Der Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern in NATO-Länder hat sich an der Erhaltung der Verteidigungskraft des Bündnisses und damit an dem Verteidigungsinteresse der Bundesrepublik Deutschland zu orientieren. Er ist grundsätzlich nicht zu beschränken. Aus besonderen politischen Erwägungen kann in Einzelfällen der Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern beschränkt werden. In NATO-Länder gelieferte Kriegswaffen dürfen grundsätzlich nicht außerhalb des Geltungsbereichs des NATO-Vertrags verbracht werden. Hinsichtlich des Endverbleibs ist, in Anlehnung an die Praxis anderer NATO-Länder gegenüber der Bundesrepublik Deutschland anzustreben, dass an NATO-Länder gelieferte Kriegswaffen in relevanten Fällen nur mit dem schriftlichen Einverständnis der Bundesregierung aus dem Geltungsbereich des NATO-Vertrags verbracht werden dürfen.
II. Nicht NATO-Länder
Als ein weiterer Beitrag zur Sicherung des Friedens in der Welt soll der Export von Kriegswaffen in die Länder außerhalb des atlantischen Bündnisses grundsätzlich unterbleiben. Der Export sonstiger Rüstungsgüter ist so weit wie möglich zu beschränken.
  1. Länder der Länderliste C der Außenwirtschafts-VO (siehe Anmerkung 1): Keine Kriegswaffen. Sonstige Rüstungsgüter können mit einstimmiger Zustimmung der COCOM-Mitglieder (Anmerkung 2) ausgeführt werden.
  2. Länder in Spannungsgebieten (Festlegung durch das Auswärtige Amt): Keine Kriegswaffen. Auch Genehmigungen für sonstige Rüstungsgüter sind zu versagen, wenn eine Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine erhebliche Störung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu befürchten ist.
  3. Sonstige Länder: Keine Kriegswaffen, es sei denn, dass Ausnahmen allgemeiner Art festgelegt oder Ausnahmegenehmigungen in Einzelfällen auf Grund besonderer politischer Erwägungen (nur mit amtlichem Endverbleibsnachweis) erteilt werden. Für sonstige Rüstungsgüter werden Genehmigungen nur erteilt, soweit die im Rahmen der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften zu schützenden Belange nicht gefährdet sind.

Anmerkung 1:
Die Länderliste C führte damals folgende Länder auf:
Albanien, Bulgarien, Nord-Korea, Nord-Vietnam, Mongolische Volksrepublik, Polen, Rumänien, Sowjetunion, Tschechoslowakei, Ungarn, Volksrepublik China (COCOM-Liste) sowie Kuba. Die DDR wurde gleichbehandelt.

Anmerkung 2: COCOM=Coordinating Committee for East/West Trade Policy. Das waren alle NATO-Staaten und Japan.

Zu den neuen Richtlinien der Bundesregierung vom 19. Januar 2000

Zur Stellungnahme des Bundesausschusses Friedensratschlag zu den Rüstungsexport-Richtlinien

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